Für Nikita
veröffentlichen. Eine Autobiographie. Und ich
brauche jemanden, der den Text bearbeitet. Wie heißt das doch gleich?« Er schnippte mit den Fingern, doch ihm fiel der Begriff
nicht ein.
»Sie brauchen einen Ghostwriter«, sagte die Astachowa, »aber wie kommen Sie auf Godunow? So etwas machen normalerweise Journalisten
oder Pressereferenten.«
»Ich möchte aber, daß das für mich ein Schriftsteller übernimmt. Ein renommierter Profi. Von denen, die Sie aufgezählt haben,
sagt mir Godunow am meisten zu.«
»Nein, bloß nicht Godunow«, sagte die Astachowa hastig und nahm einen Schluck Mineralwasser, »jeder andere, aber nicht er.«
»Warum denn nicht?« Russow kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schief. »Jeder braucht Geld. Ich werde gut zahlen.
Dreimal soviel, wie er für seinen letzten Roman bekommen hat.«
Woher wissen Sie denn, wieviel er für seinen letzten Roman bekommen hat? wollte die Astachowa fragen, besann sich jedoch.
Ihr ging auf, daß Russow bluffte. Er wußte bestens Bescheid über Godunow und hatte bereits alles beschlossen. Von ihr wollte
er etwas ganz anderes. Keine Information und schon gar nicht ihre Meinung. Aber was dann?
»Grigori Petrowitsch, sind Sie sicher, daß er sich darauf einläßt? Bei seiner Popularität, bei seinen Ambitionen als Ghostwriter
zu fungieren …«
»Ich bin sicher.« Russow lächelte breit. »Er wird seine Ambitionen schon zügeln.«
»Ich kann nur wiederholen, Godunow ist der denkbar ungeeignetste Kandidat.« Sie beugte sich über den Tisch und sprach sehr
leise weiter: »Hören Sie, Grigori Petrowitsch, in der Biographie jedes Politikers, auch in Ihrer, gibt es Dinge, die nicht
unbedingt publik werden sollten. Angenommen, er willigt ein, könnte er etwas ganz anderes schreiben, als Sie wollen. Und tun
Sie bitte nicht so, als verstünden Sie nicht, wovon ich rede.«
»Ich verstehe sehr gut, Soja. Sie sind eine kluge Person. Genau diese Möglichkeit wollte ich mit Ihnen besprechen.«
»Da gibt es nichts zu besprechen. Was Sie sich da in den Kopf gesetzt haben, könnte zu ernsthaften Unannehmlichkeiten führen,
nicht nur für Sie, auch für mich. Ich bezweifle nicht, daß Sie eine Möglichkeit finden werden, Godunow zu zwingen, den ›Neger‹
für Sie zu spielen. Ich kenne Sie gut genug. Aber ich kenne auch Godunow. Er könnte urplötzlich Ihrer Kontrolle entgleiten.
Könnte Dinge ausbuddeln, seine Nase in Angelegenheiten stecken, die …«
»Also, folgendes, Soja«, unterbrach Russow sie mit leichtem Stirnrunzeln, »mein Entschluß steht fest. Von Ihnenerwarte ich nur eines: Rückendeckung. Daß Godunow für mich arbeitet, darf niemand wissen, bis der Text fertig ist. Eben für
den Fall, daß er, wie Sie es ausdrücken, plötzlich meiner Kontrolle entgleiten sollte. Ich bin sicher, das wird nicht geschehen,
er wird genau das schreiben, was ich verlange, aber zusätzliche Vorsicht schadet nie.«
Leider hatte Soja Astachowa recht behalten. Russow hatte Godunow beseitigen müssen. Zwar hatte er keine Mühen gescheut, einen
Unfall zu arrangieren, doch nun stellte dieser Hauptmann bohrende Fragen, und morgen sollte sie noch einmal vernommen werden.
Das Ganze war äußerst unangenehm. Erstens war Soja Astachowa die einzige, die Bescheid wußte und somit für Russow eine reale
Gefahr darstellte. Zweitens hatte der Verlag einen seiner besten Autoren verloren, und drittens …
»Wo ist nur mein Anton?« murmelte sie und zündete endlich die Zigarette an, die sie schon die ganze Zeit in der Hand gehalten
hatte.
Sie hatte ernsthafte Gründe, sich um ihren Neffen zu sorgen. Er hatte zehn Jahre wegen Mordes gesessen. Er nahm Drogen. Er
war psychisch und sexuell gestört. Und dieser Unglückliche war das einzige lebende Wesen auf der Welt, das die kinderlose,
einsame Soja Astachowa liebte wie ein eigenes Kind.
Ein unauffälliger asphaltgrauer alter VW parkte in der Nähe eines großen Schuhgeschäfts in der Krasnaja Presnja. Der Fahrer,
ein beleibter älterer Mann mit rotem Haarkranz um eine rosa Halbglatze, löste den Sicherheitsgurt, öffnete die Tür und wollte
aussteigen, hielt jedoch plötzlich inne und dachte nach.
Der Rückspiegel zeigte eine zerfurchte Stirn, die Augen wirkten vollkommen glasig, leer und durchsichtig. Wärezufällig ein Bekannter von Viktjuk vorbeigekommen, er würde ihn nicht gleich erkannt haben: Felix Viktjuk war so düster gestimmt
wie noch nie.
Er kam nun bereits zum
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