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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Straßencafé und bestellte ein Wurstsandwich und eine Tasse Kaffee.
    Eine krankhafte Neigung zu alten Frauen, überlegte der Hauptmann. Sliwko kann durchaus in dem bewußten Haus in Wychino gewesen
     sein. Ein Zufall, aber durchaus plausibel. Doch Sliwko war obendrein der Neffe der Astachowa – ziemlich viele Zufälle.
    Interessant war, daß sich die Astachowa bei ihrem ersten Gespräch verhalten hatte, als sei der Tod von ViktorGodunow für sie ohne Bedeutung. Sie hatte es nicht einmal für nötig gehalten, wenigstens anstandshalber eine gewisse – nun
     ja, Betroffenheit zu äußern. Das war natürlich ihre Privatangelegenheit, sie kann ja zu Rakitin gestanden haben, wie sie wollte.
     Aber Godunows Bücher hatten ihrem Verlag einen beträchtlichen Gewinn gebracht. War ihr das auch egal?
    Beim ersten Gespräch hatte sie sich nicht adäquat verhalten, ihr ganzes Verhalten schien auszudrücken: Das ist mir gleichgültig,
     das geht mich nichts an. Doch wenn dem so war, warum dann der Beschwerdeanruf beim Ministerium?
    Die Astachowa weiß oder ahnt etwas. Womöglich hat sie selbst damit zu tun, vielleicht nicht mit dem Mord, aber mit den Ursachen,
     mit dem komplizierten Netz von Motiven.
    Heute hat sie einen echten Schock erlitten. Nicht weil ihr geliebter Neffe verschwunden ist – das war ihr nicht neu. Wenn
     sie ihn ständig kontrolliert hat, weiß sie davon schon seit einer Weile. Aber von ihm hat sie soeben erfahren, daß ihr Neffe
     zur selben Zeit am selben Ort war, an dem Rakitin umgekommen ist. Hat sie begriffen, daß ihr Neffe angeheuert wurde, um Rakitin
     zu töten? Und weiß sie, von wem und warum?
     
    Inzwischen haßte Viktjuk diesen McDonald’s-Imbiß regelrecht. Immer, wenn er herkam, nieselte es. Er war mit Anton draußen
     verabredet, an einem der Ecktische. Heute war der letzte der drei vereinbarten Tage. Und noch immer keine Nachricht von Anton.
    Überhaupt, wenn man der Wahrheit ins Auge sah, war bei diesem verdammten Auftrag von Anfang an etwas schiefgelaufen. Viktjuk
     stellte fest, daß er langsam abergläubischwurde, was wohl am Alter lag oder an seinem neuen Beruf. Der Tod war doch ein seltsames Ding. Ein Sprichwort sagte: Wem der
     Strick beschieden ist, der ertrinkt nicht. Ein Vermittler und ein Profikiller waren nur dann Spitze, wenn sie ein Gefühl dafür
     hatten, wem der Strick beschieden war und wem das Ertrinken.
    Man sollte meinen, es gelte die simple, brutale Formel: Ist ein Mord erst einmal in Auftrag gegeben, dann ist das Opfer so
     gut wie tot, dann schützen ihn auch keine Leibwächter, kein gepanzerter Wagen, keine kugelsichere Weste und kein Helm.
    Sobald der Vollstrecker den Vorschuß kassiert hat, folgt der Tod dem Opfer auf Schritt und Tritt. Heute oder morgen zertrümmert
     ihm eine Kugel den Schädel, explodiert ein neben ihm geparktes Auto oder er trinkt eine Tasse Kaffee, die ihm seine bewährte
     Sekretärin ins Büro bringt, und greift sich anschließend ans Herz, schnappt nach Luft und ist kurz darauf tot.
    Doch das Leben, besser gesagt, der Tod, schoß mitunter unglaubliche Kapriolen, als wolle er Viktjuks Professionalismus verhöhnen.
     Er durchdachte alles bis ins kleinste, studierte gründlich Gewohnheiten, Lebensweise, Geschmack und Neigungen des potentiellen
     Opfers, doch dann geschah etwas, das man unmöglich vorhersehen konnte.
    In dem Augenblick, da der Schuß fiel, mußte das Objekt niesen, bewegte ruckartig den Kopf, und die Kugel des Scharfschützen
     flog einen Millimeter an seinem Ohr vorbei. Ein Sonntagsfahrer rammte die Stoßstange des geparkten Wagens voller Sprengstoff,
     und die Explosion erschütterte die Umgebung zu einem Zeitpunkt, da das Opfer dreißig Meter vom Auto entfernt war, Splitter
     und Detonationswelle verletzten Dutzende Personen, das Zielobjekt aber erhob sich ohne den geringsten Kratzer vom Bürgersteig.
     Oder dasOpfer fiel aus unerfindlichen Gründen eine Sekunde vor dem Schuß plötzlich hin, und die für ihn bestimmte Kugel zerschmetterte
     eine Schaufensterscheibe. Hatte die Kugel ihr Ziel verfehlt, mußte am anderen Tag eine Explosion her; war die Tasse mit dem
     vergifteten Kaffee vom Tablett gerutscht, mußte das Opfer überfahren werden – das war für Viktjuk zum Axiom geworden. Nicht
     weil der Betroffene nach dem mißglückten Attentat Gefahr witterte und Vorsichtsmaßnahmen traf, sondern wegen der Regel vom
     Strick und dem Ertrinken.
    Als der Schriftsteller Godunow nach dem mißglückten Anschlag auf dem

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