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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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macht die Weiber scharf. Weil, die konnt
     sich partout nich entspannen, die wär beinah abgehaun«, erzählte einer lachend.
    »Sag mal, is die noch minderjährig?« fragte der andere, der mit einem abgebrochenen Streichholz in seinem Zahn herumstocherte.
    »Ach, weiß der Geier«, sagte der erste nachdenklich, »jedenfalls is die klasse, die bringt glatte hundert Bucks.«
    »Na, gleich hundert …« Der zweite runzelte die Stirn. »Was meinst du, Alexander, geht die Semmelblonde für hundert weg?«
    »Wieso nich.« Barsuk nickte mit Kennermiene. »Die is schon, also echt …« Er hob zu einem mitreißenden Bericht über seine Erlebnisse
     an, doch plötzlich verschluckte er sich, mußte husten, und seine Freunde hieben ihm auf den Rücken. Seine Augen füllten sich
     vom Husten mit Tränen und konnten sich nicht vom Spiegel losreißen, aus dem ihn Hauptmann Leontjew freundlich anlächelte.
    Eine halbe Stunde später saßen beide auf einer Bank in einem stillen Hof.
    »Was soll das? So geht das nicht!« Barsuk war empört. »Sie hätten anrufen können, ich bin ja immer bereit, aber so, wenn die
     Jungs dabei sind … Die bringen mich doch um, und dann haben Sie auch nichts davon, wenn die mich kaltmachen.«
    »Eines Tages erwischt’s dich sowieso, früher oder später.« Der Hauptmann zuckte die Achseln. »Wir leben alle nicht ewig.«
    Barsuks rundliches Gesicht wurde lang. So hatte dieser Bulle noch nie mit ihm geredet. Was will er von mir? dachte er alarmiert.
    »Was ist los, haben Sie schlechte Laune?« fragte er, bemüht, unterwürfig zu lächeln und Leontjew in die Augen zu sehen. »Na
     los, fragen Sie schon. Ich bin immer bereit.«
    Leontjew hatte keine schlechte Laune – aber Barsuks Unterhaltung mit seinen Zuhälterfreunden hatte ihm ziemlich den Appetit
     verdorben.
    »Immer bereit, sagst du?« Leontjew hob die Brauen. »Na, dann mal los, du junger Pionier! Wer hat dafür gezahlt, daß die Leiche
     des Schriftstellers Godunow aus Versehen eingeäschert wurde?«
    Barsuks Augen blitzten auf und irrten umher, und Leontjew begriff: Er wußte etwas. Vielleicht nicht alles, aber immerhin.
    »Welcher Schriftsteller? Bei uns war ein Schriftsteller? Wie hieß er?« ratterte Barsuk heiser los. »Als ob ich Bücher lese!
     Ich hab keine Zeit zum Lesen, woher soll ich den kennen?«
    »Stimmt, du liest keine Bücher« – der Hauptmann nickte –, »aber wenn in eurer stillen Einrichtung eine Berühmtheit liegt,
     dann spricht sich das rum. Der Schriftsteller Viktor Godunow. Aber das ist ein Pseudonym. Die Leiche hieß anders: Nikita Rakitin.
     Wer hat die Einäscherung bezahlt? Wer außer den Angehörigen hat sich für die Leiche interessiert?«
    »Über das Leichenschauhaus kann ich nicht reden«, stöhnte Alexander und verzog leidend das Gesicht. »Ich kann nicht, fragen
     Sie mich, wonach Sie wollen, aber nicht nach dem Leichenschauhaus.«
    »Was zitterst du denn so, Barsuk? Ist dir kalt? Wir können uns auch auf dem Revier unterhalten. Ich könnte dich auf der Stelle
     festnehmen – Paragraph 230: Konsum von Betäubungsmitteln oder Mißbrauch von Psychopharmaka. Zwei bis fünf Jahre. Ist dir das
     lieber? Wir könnten noch den 233er dazunehmen: Widerrechtliche Herausgabe beziehungsweise Fälschung von Rezepten für Betäubungsmittel.«
    Barsuk fing an zu weinen.
    »Ich hab nicht gefragt, wie er heißt«, schniefte er, »so ein kleiner Runder, um die sechzig. Roter Bart und Halbglatze.«
    »Der hier?« Leontjew zog rasch ein vergrößertes Foto aus der Tasche.
    »Ja, der.« Alexander nickte sofort.
    »Hast du den schon öfter im Leichenschauhaus gesehen?«
    »Das zweitemal. In der ganzen Zeit erst das zweitemal.«
    »Wer ist das?«
    »Ich sag doch, das weiß ich nicht. Er fährt einen Volkswagen, asphaltgrau.«
    »Mit wem hat er sich bei euch getroffen?«
    »Das hab ich nicht mitbekommen. Er war allein da, sich die Leiche ansehn. Ich hatte gerade Schichtschluß. Er hat sich die
     Leiche angekuckt und ist wieder gegangen. Ich hab ihn noch in sein Auto steigen sehen.«
    »Woher weißt du dann, daß er die Einäscherung bezahlt hat?«
    »Genau kann ich das nicht sagen. Ich weiß nur, daß der kleine Dicke ein ›Disponent‹ ist. Normalerweise zahlen die eben. Vor
     einem halben Jahr hab ich ihn mal in Kuklatschows Büro gehen sehen. Damals war Kuklatschow derjenige, der die Schmiergelder
     nahm, aber er wurde umgebracht. Wer das heute macht, keine Ahnung.«

Zweiundzwanzigstes Kapitel
    Die Autorin zweier Bücher

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