Für Nikita
Krankenhaus arbeiten. Doch als sie dann
den Studienplatz hatte, begann sie sich nach einem geeigneten Mann umzuschauen, einem Moskauer. Das erwies sich als ziemlich
schwierig.
Wenn sie schön gewesen wäre oder wenigstens hübsch, hätte die Sache anders ausgesehen, aber das war sie nun mal nicht. Sie
war groß, drall, breitschultrig und hatte grobe Gesichtszüge und mattes, farbloses Haar. Trotzdem – schon ganz andere hatten
sich einen Moskauer geangelt. Man mußte nur irgend etwas Besonderes haben, wenn nicht Schönheit, dann Charme, wenn nicht Klugheit,
dann Schläue.
Was Charme anging, so wußte Soja ehrlich nicht, was das sein sollte. Klug und schlau aber war sie zweifellos. Und außerdem
zupackend. Wenn sie bemerkte, daß ein Moskauer Kommilitone sich für sie interessierte, dann ließ sie ihn nicht wieder los.
Soja roch nicht nach teurem Parfüm – sie roch nach Wohnungssuche, und diese gefährliche Ausdünstung witterten die sensiblen
Moskauer Mütter und Väter sofort.
Soja war eine mittelmäßige Studentin; die Medizin interessierte sie nicht, und das verstärkte das Problem. Hätte sie zum Beispiel
engagiert über ein berufliches Thema reden, ihre Bildung demonstrieren können, würde das die Herzen wachsamer Moskauer Eltern
vielleicht erweicht haben. Aber das funktionierte nicht. Über alles außer der Wohnungsfrage sprach sie nur widerwillig und
ohne Enthusiasmus. Nur wenn von Quadratmetern die Rede war, leuchteten ihre Augen auf, wurde ihr Gesicht lebhaft.
Soja bemühte sich mit aller Kraft, attraktiver zu werden, sie jobbte neben dem Studium, kaufte bei Schwarzhändlern Importklamotten
und teure Kosmetik und versuchte abzunehmen, probierte diverse Diäten und Gymnastik aus, holte sich aus der Bibliothek Bücher
und Zeitschriften über gesunde Ernährung und Fastenkuren, über frische Gemüsesäfte und Quellwasser.
Sie las das alles mit großem Interesse, machte sich Notizen, verglich, analysierte, probierte verschiedene originelle neue
Methoden aus und schaffte es, ohne gesundheitliche Probleme, ohne Schwäche und Schwindelanfälle, in einem einzigen Monat zwölf
Kilo abzunehmen. Sie wurde attraktiver, reckte die Schultern, hob stolz den Kopf und bemerkte, daß Kommilitonen und Dozenten
sie plötzlich mit anderen Augen sahen.
Die mittelmäßige Studentin aus der Provinz, die auf der Jagd war nach dem Moskauer Wohnrecht, befaßte sich nun mit einem ernsthaften
Thema, entwickelte Forscherdrang und wurde zu einer interessanten Gesprächspartnerin für ihre Hauptfeindinnen – die Moskauer
Mütter.
Die Mütter erörterten mit ihr gern Dinge wie Übergewicht, den optimalen Verzehr von Fetten, Eiweiß und Kohlenhydraten, die
richtige Kombination von Nahrungsmitteln. Endlich fand sich auch eine, die sich entschloß, die Tür ihrer Einzimmerwohnung
für Soja Astachowa zu öffnen. Sie lebte mit ihrem Sohn allein und wünschte sich für ihr schwächliches, kränkliches Kind genau
so eine Frau – kräftig, gesund, ohne schädliche Gewohnheiten, ohne intellektuelle Ansprüche und Launen. Eine, die gesund und
schmackhaft kochte, ihren Mann sauberhielt und nie vergaß, wer sie einmal gewesen und wer sie geworden war und wem sie dafür
dankbar zu sein hatte.
Die Wohnung war nicht besonders und der junge Ehemanneine totale Niete. Einen Kopf kleiner als Soja, mit vierundzwanzig schon kahlköpfig, betatschte er nachts Sojas kräftigen
Körper mit schlaffen, schweißigen Pfoten – zu mehr war der Ärmste nicht imstande. Dummerweise erwachte in Soja etwas, das
sie nie vermutet hätte: Ihr gesunder Körper und ihr gesunder Geist verlangten nach Liebe, nach starken, echten männlichen
Liebkosungen, nicht nach hilflosem schweißigem Gefummel.
Inzwischen hatte sie ihr Diplom verteidigt und eine Assistentenstelle am Institut für Ernährungswissenschaft bekommen. Vor
ihr lag der Doktorgrad, und ihr Betreuer schlug ihr vor, sich auf dem Feld der populärwissenschaftlichen Literatur zu versuchen
und ein Buch über gesunde Ernährung zu schreiben.
Soja erinnerte sich nur ungern daran, wie sie sich ihre rechtmäßigen hauptstädtischen Quadratmeter erkämpft hatte – nur wenige,
aber ihre eigenen. Das entscheidende letzte Gefecht mit der Schwiegermutter, der Umzug und die Renovierung hinderten sie jedoch
nicht, ihr Buch über gesunde Ernährung fertigzustellen. In dieser populärwissenschaftlichen Abhandlung verwertete sie kühn
Erfahrungen mit
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