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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Du kriegst von uns alles, Pope, haben
     sie gesagt, aber zu keinem ein Wort.Siehst du, und nun schwatze ich alter Narr. Es ist eine Sünde. Schweigen ist Sünde und nicht schweigen auch. Da erzähle ich
     dir das alles und denke mir, wenn dir jetzt was passiert, bin ich schuld.«
    Xenija Tichonowna hatte sich die ganze Zeit still am Herd zu schaffen gemacht, nur hin und wieder laut geseufzt, doch schließlich
     mischte sie sich ein.
    »Es ist genug, Vater. Vielleicht sucht ja jemand nach ihnen, nach den armen Märtyrern, und wir beide schweigen hundert Jahre,
     aus Angst vor Sünde. Gestern war Klawdija hier, Brot holen, sie sagt, da ist ein Massengrab aufgespült worden, ein Stück stromab.
     Mindestens zwanzig Menschen, Gott hab sie selig. Noch gut erhalten, junge Frauen und halbwüchsige Kinder.«
    »Klawdija – die Försterfrau?« fragte Nikita.
    »Richtig.« Vater Pawel nickte. »Sie haben ihr das Haus versetzt, ein Stück weiter weg vom Landeplatz, sie wohnt allein.«
    »Wie komme ich dahin?«
    »Laß es sein!« Der Alte schüttelte den Kopf.
    »Sie ist noch hier, die Klawdija«, murmelte Xenija Tichonowna, ohne jemanden anzusehen, »sie übernachtet bei ihrer Schwiegertochter.
     Morgen früh im Morgengrauen will sie zurück. Wenn was ist, kann Klawdija doch sagen, er ist ihr Neffe«, flüsterte sie, »ihr
     Neffe aus Sinedolsk.«

Sechstes Kapitel
    »He, Kapitän, lebst du noch, oder was?« Die Stimme war ganz nah und hallte im Kopf als dumpfer Schmerz nach. Mühsam öffnete
     Jegorow die Lider. Durch einen Schneeschleier sah er zwei große dunkle Flecke vor sich.
    »Echt mal, Alter, wohl zuviel gesoffen, oder was? Steh auf, du erfrierst noch.«
    »Ich habe nicht getrunken«, sagte Jegorow heiser«, ich wurde überfallen.«
    »Brauchst du einen Krankenwagen?«
    »Nicht nötig. Wie spät ist es?«
    »Zwölf.«
    In der Ferne leuchteten die dicken Aquariumsäulen, und darin schwammen riesige buntschillernde Fische. Jegorow versuchte aufzustehen,
     machte eine ungeschickte, ruckartige Bewegung und sackte augenblicklich wieder zusammen.
    Die nächsten zwei Tage lag er mit hohem Fieber zu Hause im Bett. Einmal sah Fedja zu ihm herein und brachte ihm einen Tee
     mit Zitrone. In letzter Zeit kamen sie fast nur noch zum Übernachten nach Hause.
    Dann hatte Jegorow einen Flug, und als er zurückkam, waren Oxana und die Jungen weg.
    Es war mitten in der Nacht, ein Schneesturm heulte. Er durchsuchte die ganze Wohnung. Zwei Koffer fehlten, ebenso ihre warmen
     Sachen. Ansonsten war alles an seinem Platz. Die Wohnung war sauber und schrecklich still.
    Jegorow geduldete sich bis zum Morgen und eilte zum Kulturhaus, wo sich die Gruppe in der letzten Zeit getroffen hatte.
    »Sie haben einen anderen Raum gemietet«, sagte man ihm. Die Adresse wußte natürlich niemand.
    Vom Kulturhaus rannte er zur Miliz.
    »Meine Frau ist heute nacht weggegangen und hat die Kinder mitgenommen.«
    »Ist Eigentum verschwunden?« erkundigte sich der Diensthabende.
    »Nein. Das heißt doch. Sie haben die warmen Sachen mitgenommen.«
    »Logisch, es ist schließlich Winter.«
    »Das heißt, Sie werden sie nicht suchen?«
    »Ist Ihre Frau die Mutter Ihrer Kinder?«
    »Ja.« Jegorow nickte traurig. »Ich verstehe. Ich verstehe sehr gut.«
    »Ich Sie auch.« Der Diensthabende lachte. »Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen. Die kommen schon wieder zurück, was bleibt
     ihnen übrig. Rufen Sie erst mal alle Verwandten an und die Freundinnen Ihrer Frau.«
    »Mach ich.«
    Von der Miliz ging Jegorow zum Detektivbüro. Der Hof der Villa lag voller Baumaterial, das Gebäude war mit einem grünen Netz
     verhüllt.
    »Hier wird saniert«, sagte ein Ausländer in blauer Arbeitskleidung zu ihm, ein Türke oder Jugoslawe.
    Jegorow rannte zum Anwaltsbüro und erfuhr, daß der Anwalt, der ihm das Detektivbüro empfohlen hatte, nach Amerika ausgereist
     war.
     
    In den winzigen Nachbarwohnungen hinter den dünnen Wänden brodelte Tag und Nacht ein stürmisches Leben. Sinas fröhliche Nachbarn
     brüllten, zankten sich, sangen und verprügelten einander. Wenn die Schreie zu schrill wurden, hämmerte Sina mit einer zerbrochenen
     alten Staffelei gegen die Wand, was stets mit einer munteren Schimpfkanonade quittiert wurde.
    Bevor Sina abreiste, ließ sie sich von Nikita Geld geben, ging einkaufen und kam mit zwei riesigen Tüten zurück.
    »Hier, das sollte für vier Tage reichen«, sagte sie, »dann mußt du selber raus. Der Kühlschrank funktioniert nichtrichtig,

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