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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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für dich noch für mich. Weißt du was, du schläfst nicht
     im Wächterhaus, du schläfst bei uns«, schwatzte er nach einer langen Pause drauflos, »die Popin und ich sind sowieso allein.
     Morgen heizen wir dir das Badehaus an. Mußt du dich hier mit jemandem treffen? Oder willst du dir nur so die Natur ansehen,
     allein?«
    »Ich bin allein. Ich will mir eigentlich auch gar nicht die Natur ansehen, sondern ehemalige Lager.«
    »Ach so! Von wegen Ökologie! Das nennt man anders«, sagte der Pope schnell und beschleunigte seine Schritte.
    Hinter einem Hügel tauchte eine helle Kuppel mit einem Kreuz auf. Die Kirche sah wirklich aus wie neu. Auch das Haus des Geistlichen
     war beeindruckend. Ein Blockhaus mit funkelndem Blechdach und neuem, aus Ziegeln gemauertem Schornstein.
    Die Popenfrau Xenija Tichonowna war eine rundliche rotwangige Alte, geschäftig und schwatzhaft.
    »Unser Leben ist eintönig. Die Söhne kommen nur einmal im Jahr, die Enkel noch seltener. Die Gemeinde ist klein, manchmal
     ist die Kirche beim Gottesdienst ganz leer. Nimm dir Kohl, probier mal den Fisch. Hab ich selbst geräuchert.«
    Nikita mußte ausführlich von seinen Eltern erzählen, von seiner Exfrau Galina und von seiner Tochter Mascha, mußte sogar erklären,
     warum er sich vor sieben Jahren hatte scheiden lassen.
    »Wart ihr kirchlich getraut?« fragte die Alte voller Mitgefühl.
    »Nein.«
    »Darum ist es auch nichts geworden. Trauung muß sein. So, nun sag, worüber willst du schreiben?«
    »Über ehemalige Lager.«
    »Hier in der Gegend arbeiten noch immer Häftlinge. Das Lager ist nicht ehemalig, das ist noch in Betrieb.«
    »Na, Mutter, sieh doch mal nach, ob deine Kartoffeln nicht anbrennen«, sagte Vater Pawel, wobei er die Stimme hob und leicht
     mit der Hand auf den Tisch schlug.
    »Ich bin schon still, Vater, ich bin schon still.« Die Alte schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und rannte zum Herd.
    »Ach, dieses Weib, ist einfach zu schwatzhaft«, knurrte Vater Pawel. »Ich sag’s dir ohne Umschweife, Nikita: Halt dich lieber
     fern von unserem Lager. Wenn du am Leben bleiben willst. Du hast doch die zwei an der Anlegestelle gesehen, oder? Solche sind
     jetzt bei uns die Herren. Wie gesagt, das sind Banditen.« Der Alte flüsterte nun, beugte sich über den Tisch. »Wenn die erfahren,
     daß du aus Moskau bist und auch noch was schreiben willst und fotografieren, dann kommst du nicht lebend von hier weg. Du
     hast ein gutes Gesicht. Ich weiß nicht, was du in Wirklichkeit vorhast, vielleicht bist du von der Miliz oder von der Staatsanwaltschaft,
     das geht mich nichts an. Vom Alter her könntest du mein Sohn sein. Und ich rate dir väterlich: Bleib da weg. Du kannst sowieso
     nichts ausrichten. Da ist eine Wache und ein elektrischer Zaun.«
    »Also doch eine Mine?« fragte Nikita nachdenklich. »Gold?«
    »Gold? Ach wo, das ist längst alle«, sagte der Alte hastig und bekreuzigte sich. »Verzeih mir, Herr.«
    »Waren Sie selbst mal dort?«
    »Zwing mich nicht zu sündigen, ich kann nicht lügen.« Der Alte verzog gequält das Gesicht. »Doch reden kann ich auch nicht.
     Du siehst ja, wie sie mir das Maul gestopft haben. Die Kirche restauriert, Geld fürs Haus gegeben und für die Kircheneinrichtung.
     Hier, Pope, nimm und halt die Klappe. Ich war dort. Zwar nicht ganz nah dran, aber ich hab sie gesehen.«
    »Wen?!«
    »Diese Unglücklichen. Die Sklaven. Die hab ich gesehn. Der Hubschrauber war gerade gelandet, und sie wurden rausgeführt. Der
     Landeplatz ist nicht direkt bei der Mine, sondern ein Stück weiter weg. Sie stiegen aus, und ich sehe, sie sind irgendwie
     seltsam, keine Schwarzarbeiter und auch keine Häftlinge. Frauen und halbwüchsige Kinder, kaum Männer. Alle gut gekleidet,
     wie Städter. Nur die Gesichter waren irgendwie eigenartig. Die Augen so starr, und alle ganz blaß. Ich hab noch gedacht, was
     sind das schon für Arbeiter? Ich wollte sogar näher ran, damals gab’s noch keine richtigen Wachen, da fing das alles ja gerade
     erst an, vor fünf Jahren. Ich war beim Förster gewesen, bei Nikolai. Er lag im Sterben, ich mußte ihm die Beichte abnehmen
     und die Sterbesakramente erteilen. Ihr Haus stand ganz in der Nähe des Hubschrauberlandeplatzes. Sie haben uns entdeckt, die
     Försterfrau Klawdija und mich, und weggejagt, wir dachten erst, sie würden uns umbringen. Uns ist zwar nichts passiert, doch
     hinterher kamen zwei Männer zu mir, direkt in die Kirche, und haben mit mir geredet.

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