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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schlau gewesen und hatte ihm nicht den Kasaner Bahnhof genannt, wo jeder sie kannte, sondern den Belorussischen,
     wo sie sich nie rumtrieb. Jedenfalls, Irka hatte Glück gehabt, weil sie eben schlau war. Blöd nur, daß der Säugling auf ihrem
     Rücken wieder gestorben war.

Achtes Kapitel
    Russow schlief kaum noch und litt unter Appetitlosigkeit. Er war blaß, hatte abgenommen, sein Blutdruck war gestiegen, und
     er hatte häufig Kopfschmerzen, was er früher nie kannte.
    Bis zur Amtseinführung blieb nur noch ein Tag. Den wollte er eigentlich mit seiner Frau verbringen, mit ihr in die Jagdhütte
     fahren, zum Glück war ja herrliches Wetter, die erste Maisonne wärmte die Taiga, und die Mückensaison hatte noch nicht angefangen.
    Aber Nika konnte trotz seiner beharrlichen Bitte ihre Sprechstunde nicht ausfallen lassen. Das nahm Russow ihr ernsthaft übel.
     Er fuhr ohne seine Frau in die Jagdhütte und bestellte sich die Masseuse Rita, die weißblond war und drall wie ein saftiger
     Apfel.
     
    Doktor Jelagina hielt ihre Sprechstunde ab. Alles lief wie immer. Doch kurz nach zwei kam eine zerzauste junge Frau im weißen
     Kittel, der wie ein Sack an ihrem dürren, winzigen Körper hing, hereingestürzt, warf sich der Ärztin an den Hals und sprudelte
     los: »Nika, mein Gott, endlich! Vorm Krankenhaus stehn Wachposten, ich mußte übern Zaun klettern. Laß dich anschaun! Toll
     siehst du aus, hast dich überhaupt nicht verändert.«
    Die Schwester und der Arzthelfer sprangen auf, um die unverschämte Person zurechtzuweisen.
    »Wir müssen unter vier Augen reden, dringend«, flüsterte das Mädchen Nika ins Ohr.
    Nika trat ein Stück zurück, begriff aber trotzdem nicht gleich, daß ihre Schulfreundin Sina Resnikowa vor ihr stand. Sie sah
     lediglich, daß sie kein halbwüchsiges Mädchen vor sich hatte, sondern eine erwachsene, ziemlich verlebte Frau, sehr klein
     und dünn. Erst als sie genauer hinschaute, erkannte sie die leuchtendblauen, noch immer strahlenden Augen, die kleine Stupsnase
     und die starrsinnige, gewölbte Stirn unter dem schütteren gelben Haarschopf.
    Sie hatten sich rund acht Jahre nicht gesehen, dennoch war es kaum zu glauben, daß ein Mensch sich so verändern konnte.
    »Nikita ist tot«, sagte Sina kaum hörbar. »Deshalb bin ich hier.« Sie warf einen schrägen Blick auf die Schwester und den
     Arzthelfer. »Hör zu, laß uns woanders hingehen. Du hast doch um drei Feierabend.«
    »Tot? Wie, wann?« Nika trat einen Schritt zurück und sah Sina mit einem eigenartigen, erstarrten Lächeln an. Das heißt, es
     war eher eine Grimasse – als habe ihr jemand überraschend einen heftigen Schlag versetzt, und noch ehe sie begriff, was geschehen
     war, verspürte sie einen furchtbaren, unglaublichen Schmerz.
    »Vor drei Tagen. Er hat zeitweilig bei mir gewohnt. Es gab einen Brand. Sie haben eine verkohlte Leiche gefunden. Die Beerdigung
     ist erst am Mittwoch. Seine Eltern sind in Washington, darum warten sie damit noch.«
    »Bei dir? Eine verkohlte Leiche? Und wie kommen sie darauf, daß das Nikita ist?« fragte Nika dumpf.
    »Komm weg hier«, antwortete Sina, »dann erzähl ich dir alles. Aber nicht zu dir nach Hause«, setzte sie leise hinzu. »Wir
     müssen ganz allein reden. Verstehst du?«
    Nika fragte nicht weiter, warum Sina nicht zu ihr nach Hause wollte, und stieg nicht mit ihr in den vorm Krankenhaustor wartenden
     schwarzen Mercedes. Sie sagte der Schwester und dem Arzthelfer, sie sei in zwanzig Minuten zurück, und verließ das Krankenhaus,
     um nicht vom Chauffeur oder den Wachleuten gesehen zu werden, zusammen mit Sina durch ein Loch im Zaun.
     
    »Ach, was für eine beeindruckende Szene – die First Lady der Stadt kriecht durch ein Loch im Zaun. Vorsicht, Madame, zerreißen
     Sie sich nicht die Strumpfhose, da ist ein Nagel. Nanu, Sie sind ja leichenblaß! Ihre Freundin ist eine kluge Person, ist
     gleich hergekommen, hat Ihnen alles erzählt. Tut es Ihnen weh, Veronika Sergejewna? Ja, ich sehe es, und wie es Ihnen weh
     tut! Tja, da müssen Sie durch. Sie haben sich daran gewöhnt, sich selbst zu belügen. Diese schlechte Gewohnheit werde ich
     Ihnen austreiben. In Ihrer Welt, der Welt der sogenannten normalen, gesunden Menschen, lügen alle. Belügen sich selbst, Fremde
     und Nahestehende, das Finanzamt und den lieben Gott.«
     
    »Madame, um Christi willen eine milde Gabe für einen armen Krüppel …«
    Nika zuckte zusammen und blickte nach unten. Ein unerträglicherGestank

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