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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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…«
    »Groß, dünn, gebeugt. Trauerränder unter den Fingernägeln. Furchtbar schmutzige Hände. Sie haben gezittert.«
    »Und wie war er angezogen?«
    »Wie ist ein Moskauer Penner angezogen?«
    »Hat es dich nicht gewundert, daß der Brief mit der Maschine geschrieben ist? Woher hat ein Penner eine Schreibmaschine? Und
     soviel Geld?«
    »Das hat natürlich nicht er geschrieben, und das Geld ist auch nicht von ihm. Irgend jemand hat den Penner gebeten, es mir
     zu bringen.«
    »Eine solche Summe?« Nika schüttelte den Kopf.
    »Darüber hab ich nicht weiter nachgedacht. Irgendein Penner hat eben den Kurier gespielt und mir den Brief und das Geld übergeben.
     Das spielt doch keine Rolle, wenn man bedenkt« – sie schniefte und schluchzte plötzlich krampfhaftauf, beinahe wie ein Kind –, »wenn man bedenkt, daß Nikita tot ist.«
    »Du hast den Taubstummen nie wieder gesehen?«
    »Nein.« Sina seufzte schwer. »Bitte, Herr Kommissar, kann ich jetzt aufhören, die ganzen schrecklichen Einzelheiten zu erzählen?
     Du hast nicht einmal gefragt, wie es mir geht, was ich mache. Immerhin ist meine Wohnung abgebrannt. Und mein Jugendfreund
     ist umgekommen. Im Gegensatz zu dir fällt mir das Denken im Moment ziemlich schwer. Ich habe Kummer, verstehst du? Ansonsten
     ging es mir bis zu Nikitas Tod ganz gut. Ich habe eine Wahnsinnsaffäre mit einem Petersburger, er ist fünfzig, ein genialer
     Musiker …«
    »Warte« – Nika verzog schmerzlich das Gesicht –, »du hast mir nicht erzählt, wie du Nikita getroffen hast. Hat er dich extra
     gesucht?«
    »Nein. Wir haben uns zufällig getroffen, in einer Pelmenistube. Ich räume gerade ab, und plötzlich sagt so ein Typ zu mir:
     Hören Sie mal, junge Frau, können Sie mit dem Abwischen nicht ein bißchen warten? Ihr Lappen stinkt ganz furchtbar. Na, ich
     wollte ihn schon anschnauzen, von wegen, ich wische den Tisch ab, wann’s mir paßt, da sehe ich hin, und – du meine Güte: Nikita!«
    »Was denn, Sina, du arbeitest als Putzfrau in einer Pelmenistube?« fragte Nika leise.
    »Nebenbei.« Sina senkte schuldbewußt kurz den Blick, doch dann lachte sie fröhlich. »Du kennst ja meine Schwäche für Pelmeni.
     Außerdem brauche ich Anregungen. Da laufen Typen rum – einfach irre. Einer hat mir dreihundert Dollar hingeblättert für ein
     Aquarellporträt.«
    »Sag mal, warum hast du dich nicht an den Ermittlungsleiter gewandt? Warum hast du ihm den Brief nicht gezeigt?« unterbrach
     Nika sie.
    »Fängst du schon wieder an! Ich hab dir gerade erklärt, ich wurde gebeten, darüber zu schweigen. In dem Brief steht eindeutig:
     Für die Miliz ist es bequemer, den Tod von Nikita Rakitin als Unfall zu betrachten. Überhaupt – es gibt keine Ermittlungen,
     es wurde gar kein Verfahren eingeleitet. Der Auftraggeber ist zu hoch angebunden, den setzt sowieso keiner auf die Anklagebank.«
    Nika fiel auf, daß Sina fast wörtlich den Brief zitierte, den sie eigentlich nicht hatte lesen sollen.
    »Wo wohnst du?«
    »Im besten Hotel am Platz. Ein Rückflugticket hab ich noch nicht. Wir fliegen doch sowieso zusammen nach Moskau, stimmt’s?«
    »Ja, natürlich.«
     
    Zu Hause angelangt, wählte Nika, solange ihr Mann noch nicht da war, mehrere Moskauer Telefonnummern. Zuerst ganz mechanisch
     die der Rakitins – wehmütiges Tuten, niemand nahm ab. Dann blätterte sie mit zitternden Fingern ihr altes Telefonbuch durch
     und wählte die Nummer von Nikitas Exfrau Galina, wo ihr sofort eine Kinderstimme antwortete – Mascha, Nikitas zwölfjährige
     Tochter.
    »Wissen Sie schon Bescheid wegen Papa? Die Beerdigung ist Mittwoch um elf, auf dem Friedhof Wostrjakowo.«
    Die Stimme des Mädchens klang hölzern. Nika konnte sich nicht entschließen, dem Kind irgendwelche Fragen zu stellen.
    Russow kam spät nach Hause. Seine Wangen waren gerötet, und er hatte einen ausgezeichneten Appetit.
    »Es war ein großer Fehler von dir hierzubleiben«, sagte er und küßte sie schmatzend auf den Mund.
    »Nikita Rakitin ist vor drei Tagen umgekommen«, sagte Nika leise.
    Das Lächeln wich qualvoll langsam aus seinem Gesicht. Russow schwieg lange, bis es endlich einen ernsten, besorgten, angemessenen
     Ausdruck zeigte.
    »Ja, ich weiß Bescheid. Ehrlich gesagt, ich wollte dich vor der Amtseinführung nicht damit belasten, aber nun hat es dir offensichtlich
     schon jemand mitgeteilt. Wer eigentlich, wenn es kein Geheimnis ist?«
    »Ich wurde aus Moskau angerufen.« Sie hatte noch nicht entschieden,

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