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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Grischa war eine Berühmtheit, und Berühmtheiten zogen immer alle möglichen Psychopathen an. Aber woher hatte ein Irrer soviel
     Geld? Die Situation verlangte nach emotionsloser Logik. Um so besser. Das war eine Art örtliche Betäubung.
    »Jetzt erklär mir erst mal, ganz in Ruhe und verständlich – was ist eigentlich passiert?« Nika starrte an Sina, an den fröhlichen
     blauen Augen vorbei auf das trübe Fenster.
    »Vor zehn Tagen kam Nikita zu mir und wollte eine Weile bei mir wohnen. Und ich sollte keinem ein Wort davon sagen.«
    »Hat er dir erklärt, warum?«
    »Natürlich. Er hat gesagt, er muß eine Weile allein sein.«
    »Warte mal, er lebte doch in letzter Zeit sowieso allein. Seine Eltern sind seit einem halben Jahr in Washington, die riesige
     Wohnung ist faktisch leer.«
    »Er hat gesagt, er hat eine Schreibkrise, er brauche einen Tapetenwechsel. So etwas kann ich gut verstehen. Außerdem wollte
     ich sowieso gerade nach Petersburg, meine Höhle war einen ganzen Monat frei.«
    »Vielleicht hat er sich ja vor jemandem versteckt?« fragte Nika leise.
    »Ja, vor sich selber. Er hatte eine Schreibkrise!« Sina wurde wütend. »Ich bin doch kein Kriminalist, daß ich ihn ins Verhör
     nehme! Warum sollte er nicht bei mir wohnen, wenn er das brauchte?«
    »Schon gut, weiter.« Nika nickte.
    »Na ja, dann kam der Brand. Bei uns fällt dauernd der Strom aus, ich hatte eine Menge Petroleum im Haus, und das wurde verschüttet.
     Jedenfalls wurde Nikita tot aufgefunden. Bis auf die Knochen verbrannt. Er konnte nur mit Mühe identifiziert werden. Seine
     Papiere waren unversehrt – Ausweis, Kreditkarte.«
    »Wie denn das, bei so einem Brand?« fragte Nika schnell.
    Sina stieß einen Pfiff aus und schüttelte tadelnd den Kopf.
    »Also, du bist echt stark, Jelagina. Ich hab gedacht, du weinst wenigstens eine Träne um Rakitin, statt dessen sitzt du da
     wie ein Eisklotz und stellst schlaue Fragen.«
    »Ich stehe unter Narkose«, murmelte Nika.
    »Ach was, du bist voll da!«
    »Ich meine was anderes. Die anonymen Briefe. Ich muß das herausfinden. Danach vergieße ich eine Träne«, sagte Nika leicht
     gereizt.
    »Na schön. Klingt vernünftig. Ganz dein Stil. Du hast dich in den acht Jahren wirklich nicht verändert.«
    »Also, warum haben die Papiere den Brand überstanden?«
    »Ich hab sämtliche Papiere in einer stabilen Blechdose aufbewahrt. Nikita hat seine dazugelegt. Auf meinen Rat. In meiner
     Höhle herrscht Chaos, da findet man nichts, der einzig sichere Ort ist diese Blechdose. Na ja, so haben sie mich ausfindig
     gemacht, die Telefonnummer meiner Petersburger Freunde lag auch da drin. Der Ermittlungsleiter hat mich frühmorgens angerufen,
     und ich bin gleich nach Hause gefahren. Und da – es war ein Alptraum! Jedenfalls, ich hab Nikita identifiziert.«
    »Wie denn, eine verbrannte Leiche?«
    »Durch das Kreuz. Erinnerst du dich, Nikita besaß ein goldenes Kreuz, ein Erbstück. Das nahm er nie ab. Aber vor mir haben
     ihn schon Galina und Tante Nadja identifiziert.«
    »Haben sie ihn auch an dem Kreuz erkannt?«
    »Woher soll ich das wissen? Hör mal, was soll die Frage? Glaubst du etwa nicht, daß das Nikita war?« Sina kniff die Augen
     zusammen und sah Nika aufmerksam an.
    »Wie kommst du darauf?« Nika hob die Brauen und wandte sich ab.
    »Ich wollte es erst auch nicht glauben. Aber wer soll es sonst gewesen sein? Nikita hat allein bei mir gewohnt, und gebrannt
     hat es mitten in der Nacht. Die Leiche eines Mannes seiner Größe, in seinem Alter, mit seinem Kreuz um den Hals.«
    »Sonst nichts weiter, außer dem Kreuz?«
    »Was?«
    »Hat man dir bei der Identifizierung noch andere Metallgegenstände gezeigt außer dem Kreuz?«
    »Nein. Nur das Kreuz und die Kette.«
    »Gab es zusätzliche Gutachten?«
    »Gutachten? Wozu?« Sina runzelte die Stirn. »War doch alles klar.«
    »Na schön. Weiter.«
    »Ich bin zu Mama gezogen. Zeitweilig natürlich. Und dann ist dieser komische Typ aufgetaucht. Ein taubstummer Penner. Der
     hat mir die Briefe gegeben.«
    »Ein taubstummer Penner?«
    »Na ja. Auf dem Arbat. Ich hab da meine Bilder angeboten, Aquarelle, die ich in Petersburg gemalt habe. Der Rest ist ja verbrannt.
     Und da kam dieser Typ …«
    »Wie sah er aus?«
    »Wie sieht einer aus mit einem Muttermal übers halbe Gesicht? Was fällt einem da schon auf außer dem Muttermal?«
    »Eine Menge. Du bist doch Malerin, Sina. Erinnere dich genau – Größe, Alter, Körperbau, Haare, Hände

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