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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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die Tabletten unbedingt braucht. Jedenfalls, ich hab ihm geholfen, daß er seine Tabletten kriegte – die Mädchen dort
     kennen mich. Er war mir so dankbar, so dankbar … Wir sind zusammen rausgegangen, und dann stellte sich raus, daß er nicht
     wußte, wo er übernachten sollte, der Arme.«
    »Sie haben ihn mit nach Hause genommen?«
    »Ich habe ihn sofort geliebt. Auf den ersten Blick. Das können Sie sich gar nicht vorstellen, mein Lieber, so eine erhabene
     Leidenschaft, solche reinen Gefühle …«
    »Seinen Nachnamen wissen Sie also nicht, aber sein Geburtsjahr, ja?«
    »Von ihm. Er hat gesagt, er ist sechsunddreißig.«
    »Sie selbst, Verzeihung, Sie sind siebzig, ja? Und er ist also Ihr Lebensgefährte?«
    »Warum denn nicht? Schauen Sie mich an, sehe ich etwa so alt aus, wie ich bin?« Die Kudijarowa stand von der Bankauf, drehte den Kopf hin und her, strich sich kokett das Haar glatt. »Meine Seele ist noch ganz jung. Und mein lieber Anton
     hat das gespürt. Der Liebe, wie ein General in einer Oper von Tschaikowski sagt, der Liebe frönt ein jedes Alter.«
    »Na schön«, sagte der Diensthabende. »Und wo wohnt er, der liebe Anton? Haben Sie seine Papiere gesehen?«
    »Nennen Sie ihn nicht so. Das ist sehr intim. Für Sie ist er nur Anton.« Die Alte reckte das Kinn und schloß die Augen. Sie
     trug dicke, grell türkisfarbene Lidschatten. »Er wohnt bei mir, und seine Papiere interessieren mich nicht. Er liebt mich.
     Und ich untersage Ihnen, erhabene Gefühle mit albernen bürokratischen Formalitäten zu belasten. Hören Sie, warum fragen Sie
     mich nicht, wie er aussieht? Ich habe den Verdacht, Sie nehmen mich nicht ernst und wollen ihn gar nicht suchen.«
    »Gut.« Der Diensthabende seufzte. »Wie sieht er aus?«
    »Groß. Sehr schön. Breite Schultern, ein männliches, edles Gesicht. Die Augen so blau wie der Himmel. Das Haar wie reifer
     Roggen. Er trug eine Hose und einen Pullover, so einen blauen mit Gummibund, und darüber eine schwarze Jeansjacke. Finden
     Sie ihn, Genosse Milizionär, ich flehe Sie an!« Die Alte rang tragisch die Hände. »Ich spüre es, ihm ist etwas zugestoßen.
     Er ist so rein, so zutraulich.«
    Die Nacht ging zu Ende, und die Alte saß noch immer da. Der Diensthabende hatte sie schon fast vergessen, als sie plötzlich
     sagte, als denke sie laut: »Schrecklich, wenn Menschen so jung sterben. Besonders so, im Feuer, bei lebendigem Leib. Oder
     war er schon tot, als der Brand ausbrach? Wissen Sie das?«
    Der Diensthabende schreckte hoch. »Was?«
    »In unserm Haus hat es gebrannt, im Nachbaraufgang«, erklärte die Alte. »Dabei ist ein junger Mann umgekommen.Er hat bei dieser Hippie-Malerin gewohnt. Sina heißt sie, so eine Kleine, Fixe. Er war eigentlich ganz friedlich, aber dann
     hat er der Sina die Wohnung abgefackelt. Und ist dabei selber verbrannt, der Ärmste.«
    »Wann ist Ihr Lebensgefährte verschwunden? Am zehnten Mai?« Die Schläfrigkeit war wie weggeblasen.
    »Genau, am zehnten. Ein paar Stunden vor dem Brand.«
    »Sie wohnen Sredne-Sagorski-Gasse 40, ja?«
    Dieses Haus war eins der schlimmsten im Revier. Ein ehemaliges Wohnheim, mehr schlecht als recht renoviert und in Apartmentwohnungen
     umgewandelt. Dort lebte eine Menge halbkriminelles Gesindel. Und genau dort hatte es in der Nacht vom zehnten auf den elften
     Mai gebrannt. Dabei war eine Person umgekommen. Beim Eintreffen der Feuerwehr war der Leichnam in einem verheerenden Zustand,
     aber die Identifizierung war dennoch kein Problem gewesen. In einer Blechdose auf dem Fensterbrett lag ein Ausweis auf den
     Namen Nikita Jurjewitsch Rakitin, geboren 1960. Die Kriminalisten fanden keinerlei Indizien für ein Verbrechen. Es war ein
     Unfall. Zwar wies die Schläfe des Toten eine Verletzung auf, die von einem schweren stumpfen Gegenstand stammte, doch der
     Gutachter versicherte, sie sei dem Opfer nicht von einer anderen Person beigebracht worden. Brandursache war verschüttetes
     Petroleum. Im Haus fiel häufig der Strom aus, darum besaßen die Bewohner Petroleumlampen. Rakitin hatte einen schweren Stromschlag
     erlitten, der entweder zu seinem sofortigen Tod führte oder aber zu Bewußtlosigkeit – dann erstickte er an den Rauchgasen.
     Im Fallen war er gegen die Ecke des steinernen Fensterbretts geprallt.
    »Hören Sie, mein Lieber« – die Alte hob die Stimme –, »meine Adresse habe ich in der Anzeige angegeben. Die haben Sie wohl
     gar nicht richtig gelesen?«
    »Doch, doch, das habe ich, es ist

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