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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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einfach …«
    »Nichts ist hier einfach, junger Mann! Mein lieber Anton verschwand am selben Tag und zur selben Stunde, als das Feuer ausbrach.
     Das ist ein Zeichen. Das Feuer hat meine Liebe verschlungen.« Die Alte schluchzte theatralisch.
    Vielleicht hat ja dein Antossik diesen Rakitin umgebracht, dachte der Diensthabende wehmütig. Verdammt, noch ein Mord im Revier,
     das hat uns gerade noch gefehlt. Der Diensthabende bekam Zahnschmerzen. Natürlich würde nicht er diesen hoffnungslosen Fall
     aufklären müssen. Aber die Kriminalisten würden ihm nicht verzeihen, daß er die verrückte Oma nicht rechtzeitig rausgeschmissen
     hatte. Dabei war sie eigentlich gar nicht so verrückt. Durchaus zurechnungs- und vernehmungsfähig.

Zwölftes Kapitel
    Im August 1975, ein halbes Jahr nach Sergej Jelagins Selbstmord, heiratete seine Witwe, die Schauspielerin Viktoria Rogowa,
     den Kameramann Wladimir Boldin, mit dem sie schon zu Lebzeiten ihres Mannes eine Affäre gehabt hatte.
    Nika erstarrte an der Türschwelle, als sie Onkel Wolodja gemütlich in Papas Lieblingssessel sitzen sah. Er war größer als
     Papa und breitschultriger. Er lief zu Hause nie in Satinunterhosen und ausgeleiertem Unterhemd rum. Er trug ausgewaschene,
     gut sitzende Jeans und ein kariertes Holzfällerhemd. Alles sauber und gebügelt.
    Er wusch und bügelte seine Hemden selbst, brachte seine Anzüge in die Reinigung, nähte Namensschilder an die Bettwäsche und
     schaffte sie in die Wäscherei. Er trank nicht, rauchte wenig und nur in der Küche. Er kam mit Einkaufstaschen voller Lebensmittel
     nach Hause, kochte Essen und spülte das Geschirr.
    Früher war Jelagins Wohnung immer unordentlich gewesen, alle Wasserhähne hatten getropft, die Lichtschalter waren kaputt,
     die Türen der Küchenschränke lose. Nun funktionierte alles, nichts tropfte oder wackelte.
    Onkel Wolodja stand früh auf, um Nika Frühstück zu machen, bevor sie zur Schule ging. Manchmal kam er auch mittags kurz nach
     Hause und wärmte Nika das Essen auf. Sie konnte längst alles selbst, kochen, waschen und saubermachen, aber Onkel Wolodja
     hatte keine eigenen Kinder und kümmerte sich gern um Nika.
    Mama war selten zu Hause, sie ging, wenn Nika noch in der Schule war, und kam erst spätnachts zurück, wenn Nika schon schlief.
    »Wenn man eine Rolle kriegen will, muß man ständig präsent sein«, sagte sie.
    Also fuhr sie jeden Tag zu »Mosfilm« oder ins Gorki-Filmstudio und war »präsent« – schlenderte durch die Flure, schaute bei
     Dreharbeiten zu, saß in Garderoben herum. Die Abende verbrachte sie im »Haus des Films«, trank in der Kantine Kaffee, warf
     den Kopf in den Nacken und richtete ihre Frisur, sobald ein alter Bekannter vorbeikam, sprach renommierte Regisseure an.
    »Hallo, mein Lieber, wir haben uns ja ewig nicht gesehen! Gut siehst du aus. Was hast du für Pläne? Machen wir einen Film
     zusammen?«
    Anfangs blieben viele stehen, setzten sich zu ihr an den Tisch. Der Trauerflor der durchlittenen Tragödie, der sie umgab,
     verpflichtete zu Mitgefühl. Doch das war schnell aufgebraucht, übrig blieb nur noch Höflichkeit, und auch die verflüchtigte
     sich bald. Die alten Bekannten, besonders die Regisseure, gingen Viktoria aus dem Weg. Die Blicke glitten an ihrem schönen
     Gesicht vorbei, man grüßte sie nur noch mit einem kurzen Kopfnicken, antwortete ihreinsilbig und unwillig. Die Garderobieren und Kantinenfrauen sahen sie schief an. »Da ist sie schon wieder.«
    Neben Viktorias Kaffeetasse stand immer häufiger ein Glas – erst Wein, dann Kognak und schließlich Wodka. Das Make-up auf
     ihrem Gesicht wurde immer dicker, ihre Kleider wurden immer kürzer. Manchmal lachte sie laut über ihre eigenen, ganz und gar
     nicht komischen Gedanken. Dann verstummten alle in der Kantine und blickten zu ihr hinüber. Eines Tages nach einer Premiere
     setzte sich ein alter Regisseur zu ihr, in dessen besten Filmen sie einst mitgespielt hatte.
    »Soll ich dich nach Hause fahren, Viktoria?«
    »Wieso, störe ich etwa jemanden?« Sie sah sich hochmütig um. »Bin ich hier unerwünscht?«
    »Nein, Viktoria, darum geht es nicht«, sagte der Regisseur leise, »aber ich glaube, dir geht es nicht gut. Fahren wir nach
     Hause, ja?«
    »Nach Hause?« fragte Viktoria laut zurück, »Zu dir nach Hause? Und deine alte Schreckschraube? Oder ist sie wieder auf der
     Datscha, wie damals, vor zehn Jahren?«
    »Bitte, Viktoria, hör auf.« Der Regisseur versuchte sie vom Stuhl

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