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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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am Institut für
     Gerichtsmedizin.
    »Nika! Wieso bist du plötzlich in Moskau? Ich hab dich gestern im Fernsehen gesehen, in den Nachrichten. Sie haben die Amtseinführung
     gezeigt. Du warst ständig in Großaufnahme zu sehen. Gratuliere, Frau Gouverneur. Ich hab ja immer gewußt, daß dein Grischa
     es mal weit bringen wird. Ist was passiert?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du würdest niemals einfach so anrufen.« Petja lachte. »Heutzutage ruft keiner mehr einfach so an. Wie lange haben wir uns
     nicht gesehen?«
    »Hundert Jahre.«
    »Genau. Hundert Jahre. Also, was ist passiert?«
    »Ein Bekannter von mir ist tot, Nikita Rakitin«, begann Nika.
    »Bekannter ist gut!« Petja pfiff in den Hörer. »Das war doch deine erste Liebe. Alle bei uns im Institut lesen seine Bücher.
     Ich bin ganz stolz, daß ich ihn kenne. Sag bloß, er ist wirklich tot? Ermordet?«
    »Wieso gleich ermordet? Angeblich war es ein Unfall. Ein Brand.«
    »Solche Unfälle kennen wir. Aber ich verstehe nicht – dein Grischa hat doch so viele Beziehungen, wieso rufst du ausgerechnet
     mich an?«
    »Eben wegen Grischas Beziehungen. Ich möchte mich nicht an den stellvertretenden Generalstaatsanwalt wenden. Er kümmert sich
     sowieso nicht selber darum, er reicht den Fall bloß an seine Stellvertreter weiter und die wiederum an niedere Chargen, und
     am Ende erfahre ich gar nichts. Der einzige Effekt wäre, daß die Sache Wellen schlägt und die Gerüchteküche zum Brodeln bringt.
     Für einige wäre die Geschichte ein gefundenes Fressen, die Journalisten würden angelaufen kommen …«
    »Schon gut, Jelagina. Ich verstehe. Wann wurde die Leiche gefunden?«
    Nika erzählte ihm kurz, was sie wußte.
    »Gut. Ich rufe dich in anderthalb Stunden zurück.«
    Nika legte auf und hörte, wie in der Küche etwas zu Boden fiel.
    »Hör mal, bei dir bricht man sich ja alle Knochen«, sagte Sina fröhlich. Sie stand barfuß mitten in der Küche. Der Fußboden
     war mit Zucker und Porzellansplittern übersät. »Entschuldige, mir ist die Zuckerdose runtergefallen. Übrigens hast du nichts
     zu essen im Haus. Der Kühlschrank ist leer. Ich hol uns schnell was zum Frühstück, ja?«
    »Tu das.« Nika nickte. »Gleich über die Straße ist ein Supermarkt.«
    »Wo sind denn deine Zimmermädchen, Lakaien und Kammerdiener? Die Chefin ist gekommen, und die zucken sich gar nicht.«
    »Ich möchte niemanden herbestellen. Ich werde mich hier nicht lange aufhalten«, entgegnete Nika finster und fegte Zucker und
     Splitter auf. Sina ging sich anziehen.
    Die Tür schlug zu. Nika warf den Müll in den Eimer, undihr fiel ein, daß sie Sina nicht gesagt hatte, sie solle Zucker mitbringen. Von allein dachte sie bestimmt nicht daran, und
     dann müßten sie den Kaffee ungesüßt trinken.
    Nika lief auf den Balkon. Sie wohnten im dritten Stock, nicht allzuweit oben. Sina müßte sie auf jeden Fall hören, wenn sie
     rief.
    Der Balkon ging hinaus auf die Gasse. Nika sah, wie Sina um die Hausecke gelaufen kam. Von oben wirkte sie winzig.
    Nika wollte warten, bis Sina auf der anderen Straßenseite war. Sina rannte, ohne nach links und rechts zu sehen, in eine Lücke
     zwischen den Autos. Als sie die gegenüberliegende Bordsteinkante fast erreicht hatte, raste ein riesiger grüner Jeep heran.
     Er machte in voller Fahrt einen eigenartigen Schlenker, Bremsen quietschten, und im nächsten Augenblick gellte ein schriller
     Schrei in Nikas Ohren, und es wurde dunkel ringsum. Einen weiteren Augenblick später begriff Nika, daß sie selbst es war,
     die schrie, und daß es dunkel war, weil sie die Augen zugekniffen hatte.
    Sie mußte die Augen öffnen, aber sie konnte es nicht, ihre Gesichtsmuskeln waren wie verkrampft. Sie mußte hinuntersehen.
     Doch dazu hatte sie nicht die Kraft.
    Sie rannte ins Zimmer und so, wie sie war, in Bademantel und Pantoffeln, aus der Wohnung und die Treppe hinunter, ohne an
     den Fahrstuhl zu denken.
    »Guten Tag, Veronika Sergejewna! Meinen Glückwunsch, ich habe Sie gestern gesehen …«, rief ihr die Concierge hinterher.
    Nika nickte im Laufen, schlug die Tür zu, rannte über den Hof und blieb wie angewurzelt stehen, als sie um die Ecke bog und
     die Gasse vor ihr lag.
    Autos und Fußgänger, grauer, kalter Nieselregen. Keine Menschenmenge, die sich normalerweise immer ansammelt, wenn …
    »Dein Mann ist ein Mörder«, vernahm sie hinter sich ein heiseres Flüstern, zuckte heftig zusammen, trat auf eine Bananenschale
     und wäre beinahe

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