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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hingefallen. Jemand hielt sie am Ellbogen fest.
    Eine hochgewachsene, dürre alte Frau mit Strohhut, dunkler Brille und grell geschminkten Lippen.
    »Was haben Sie gesagt?« fragte Nika und versuchte, die Augen hinter der Brille zu erkennen. Aber es war Spiegelglas. Sie sah
     nur ihr eigenes Gesicht, langgezogen und weiß, mit riesigen Augen.
    Die Alte hielt sie noch immer fest. Nika riß sich los und bemerkte die sorgfältig lackierten Nägel der krummen grauen Finger
     und außerdem Narben auf dem linken Handrücken, sechs Stück, seltsame Narben, kreisrund und gleich groß. Verbrennungen, registrierte
     Nika mechanisch, wie von ausgedrückten Zigaretten. Solche hat Grischa auch. Da hat er mit elf trainiert, Schmerz zu ertragen.
     Ein Dummerjungenstreich.
    »Ich habe gesagt, diese Mörder rasen wie die Verrückten.« Die Alte zeigte auf die andere Straßenseite. »Was haben Sie denn
     verstanden?« Sie hatte eine tiefe, fast männliche Stimme. Sie flüsterte, dumpf, hastig und irgendwie sehr nervös.
    Vielleicht einfach eine Verrückte? dachte Nika und wandte sich von dem seltsamen, pergamentartigen Gesicht mit dem grell geschminkten
     Mund ab.
    »Nichts. Alles in Ordnung.«
    »Überhaupt nichts ist in Ordnung, meine Liebe«, widersprach die Alte streng. »Die Welt ist grausam, niemand hat Mitleid. Sehen
     Sie es sich an, sehen Sie nur! Ist natürlich kein schöner Anblick.«
    Nika blickte in die Richtung, in die der knochige Finger zeigte, und entdeckte eine überfahrene schwarzweiße Katze.Ist überhaupt ein Verbrechen geschehen? fragte sich Hauptmann Leontjew. Was außer den Waffen und den Drogen in der Höhle der
     Alten läßt mir keine Ruhe? Lauter Zufälle, keine Logik, kein Motiv. Wirklich, warum rege ich mich so auf? Die Sredne-Sagorskaja
     vierzig steckt bis obenhin voller Dreck. Zwei nagelneue Knarren, hundert Gramm Stoff und ein Umschlag mit LSD-Streifen – na
     und, was ist das schon? Was hat das mit der Leiche des Schriftstellers zu tun?
     
    Andrej Leontjew hatte das Einsatzteam geleitet, das in der Nacht vom Zehnten zum Elften am Brandort war. Als der Hauptmann
     die Papiere durchblätterte, die in einer Blechdose auf dem Fensterbrett erhalten geblieben waren, und die Personalien des
     Toten ins Protokoll aufnahm, begriff er nicht gleich, warum ihm das Gesicht auf dem Ausweisfoto so bekannt vorkam.
    Rakitins Eltern weilten im Ausland. Zur Identifizierung wurde die Exfrau des Toten geholt. Sie kam zusammen mit Rakitins alter
     Kinderfrau. Beide Frauen erklärten, der Tote sei Nikita Rakitin. Beide verstanden zunächst nicht, wie er in dieses Haus geraten
     war. Doch als sie den Namen der Wohnungsinhaberin erfuhren, war alles klar: Beide kannten Sinaïda Resnikowa seit langem und
     hielten es im Prinzip für möglich, daß Rakitin eine Weile bei ihr gewohnt hatte.
    Bald kam auch die Resnikowa selbst, die erklärte, daß Rakitin tatsächlich in ihrer Abwesenheit bei ihr gewohnt habe. Auch
     sie identifizierte den Toten.
    Doch erst danach identifizierte Hauptmann Leontjew ihn wirklich, das heißt, er begriff, wer bei diesem Brand umgekommen war.
    Als die Leute des Einsatzteams, vom Brandort zurückgekehrt,im Büro saßen, Tee tranken, rauchten und sich unterhielten, entdeckte der Hauptmann plötzlich auf dem Tisch von Oberleutnant
     Wanja Kaschin ein grellbuntes Taschenbuch mit einem albernen Bild auf dem Umschlag. Er nahm es in die Hand und betrachtete
     das Foto des Autors. Natürlich – darum war ihm das Gesicht auf dem Ausweisfoto so bekannt vorgekommen!
    »Wanja, ist dir wenigstens klar, wessen Leiche wir da heute haben?« fragte der Hauptmann und gab ihm das Buch zurück.
    »Wieso?« Wanja horchte auf.
    »Der Schriftsteller Viktor Godunow ist tot«, sagte Leontjew bedächtig und steckte sich eine Zigarette an.
    »Wie kommen Sie denn darauf, Hauptmann? Der Tote ist doch« – Wanja klapperte mit den Augen –, »das ist doch Nikita Jurjewitsch
     Rakitin, 1960 geboren.«
    »Wen liest du denn da gerade, du Blödmann?«
    Wanja nahm das Taschenbuch in die Hand, sah sich den Umschlag an, dann das Foto des Autors und las langsam, Silbe für Silbe:
     »Viktor Godunow. ›Der Triumphator.‹ Na und?«
    »Rakitin ist sein richtiger Name.« Der Hauptmann seufzte. »Godunow ist ein Pseudonym. Gefällt dir das Buch?«
    »Ja.« Wanja nickte heftig. Es ist klasse. Ich hab gestern bis nachts um zwei gelesen.«
    »Nun wird er nichts mehr schreiben. Er ist tot.«
    »Stimmt. Und?«
    »Ach, nichts.« Leontjew

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