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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ihn bald mit dem Mann
     zusammen, der ihn förderte –dem stellvertretenden Bildungsminister Grigori Russow.
    Russow war einer der aktivsten Verfechter der Gewissensfreiheit, im Kampf für die Auferstehung des Glaubens in der heidnischen
     postsowjetischen Gesellschaft scheute er keine Anstrengung. Er unterstützte großangelegte Werbekampagnen in Presse und Fernsehen,
     förderte die Verbreitung religiöser Lehren unter Schülern und Studenten, organisierte Auftritte von Missionaren in der Moskauer
     Universität, überredete Schuldirektoren zur Einführung neuer Pflichtkurse, um die nach Spirituellem dürstenden russischen
     Kinder mit den Lehren diverser neuer Messiasse vertraut zu machen.
    Dank seiner Bemühungen gingen Mun und Asahara im Kreml ein und aus – 1991 und 1992 organisierte Russow für Asahara freundschaftliche
     Begegnungen mit dem Sekretär des Sicherheitsrates, Oleg Lobow, mit Rußlands Vizepräsident, Alexander Ruzkoi, mit dem Vorsitzenden
     des Obersten Sowjets, Ruslan Chasbulatow, und anderen wichtigen Persönlichkeiten. Auf den schönen Farbfotos mit lächelnden
     Gesichtern und historischem Händedruck ist Russow nicht zu sehen. Er blieb immer hübsch im Schatten des lauten Ruhmes der
     »fahrenden Götter« und bildete sein bescheidenes Grundkapital. Das sich später in der Tat als sehr bescheiden herausstellte.
    Viktjuk, der viel zu lange in der Kreiskanzlei gesessen hatte, überhäufte den stellvertretenden Minister mit neuen Vorschlägen.
     Zum Beispiel überzeugte er Russow davon, daß es gut wäre, eine eigene Privatdetektei zu eröffnen, die sich speziell um Fälle
     kümmern sollte, bei denen Leute in Sekten gingen. Man müsse doch schließlich den Unglücklichen helfen, deren Angehörige –
     Frauen, Männer, Kinder – eines Tages spurlos verschwanden, und zwar samt ihremBesitz, ihren Ersparnissen, manchmal sogar mitsamt der Wohnung. Juristisch waren sie ja machtlos. Alles geschah freiwillig,
     es gab kein Verbrechen, und darum suchte die Miliz die Verschwundenen in der Regel nicht einmal.
    Russow fand die Idee vielversprechend, und so zog der alte Jurist bald aus seiner scheußlichen Kanzlei in eine schöne Villa
     in einer Seitengasse des alten Arbat. Nun hatte er ein eigenes Büro, und statt dünnen schwarzen Tees mit Lebkuchen gab es
     Menüs im Restaurant.
    Bald lagen in allen Moskauer Anwaltskanzleien Werbezettel der Privatdetektei »Garantija«, an die jetzt die Anwälte gegen ein
     kleines Entgelt die Opfer totalitärer Sekten verwiesen.
    Auf diese Weise hatte man sowohl die Sekten unter Kontrolle als auch jeden, der sich für deren Tätigkeit interessierte. Kraft
     ihrer Befugnisse als Privatdetektive und Insider verschafften sich die Leute von »Garantija« Einblick in die Vermögensverhältnisse
     der »lebenden Götter« und versprachen ihnen Schutz gegen jede Einmischung von außen.
    Doch irgendwann nahm die Tätigkeit einiger Wahrheitslehrer eine gefährliche Richtung. Der neugierige Viktjuk hatte erfahren,
     daß der Moskauer Ableger der Aum-Sekte eine eigene Wachgesellschaft eingerichtet hatte, geleitet von einem Russen im Rang
     eines Obersten aus der Truppe von General Korshakow. Asahara bekam Zugang zum geheimen technisch-physikalischen Institut MIFI,
     das Kader für die russische Kernindustrie ausbildete. Außerdem unterhielt Aum Shinrikyo freundschaftliche Kontakte zu Veteranen
     der berühmten Alpha-Truppe und anderer Spezialabteilungen, und Aum-Anhänger wurden auf einem Übungsplatz des Innenministeriums
     im Schießen, Nahkampf und Bombenlegen ausgebildet.
    Viktjuk analysierte die gesammelten Informationen undseine eigenen unguten Gefühle und sprach darüber mit Russow, der ihm widerwillig zustimmte, daß es Zeit sei, die Detektei
     »Garantija« dichtzumachen und sich überhaupt allmählich von den Wahrheitslehrern zu distanzieren.
    Nur drei Monate später, am 20. März 1995, erschütterte die Nachricht vom Saringas-Attentat in der Tokioter U-Bahn die Welt.
     Keiner weiß, ob die wichtigen Leute im Kreml, die mit dem Terroristen Asahara so gut Freund waren, nach diesem Ereignis ruhig
     schlafen konnten – Russow jedenfalls mußte ein paar Wochen lang Schlafmittel nehmen.
    Viktjuk erwartete keine Dankbarkeit. Er war bescheiden und wollte nur eines: für Russow weiterhin nützlich und unentbehrlich
     bleiben, ein enger Freund und guter Ratgeber.
    Russow machte eine glänzende politische Karriere und stieg immer höher auf, Viktjuk blieb sein Freund und

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