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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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krummbeinigen Asiaten für einen leeren Schwätzer
     gehalten. Aber er hatte es gesehen, und mit seinen sechzig Jahren war ihm plötzlich aufgegangen, wie erschreckend simpel es
     in diesem komplizierten Leben zuging.
    Man mußte nicht begabt sein, nicht klug, gebildet, erfolgreich oder schön, man mußte sich nicht krummlegen, um etwas zu erreichen.
     Es genügte, einer Handvoll Hoffnungssuchender zu versprechen, man würde sie glücklich machen, ihre seelischen und körperlichen
     Gebrechen heilen, sie nicht nur vor den gegenwärtigen Problemen schützen, sondern auch vor allen künftigen einschließlich
     der nahenden Apokalypse, und im Ergebnis dieser schlichten psychologischen Manipulationen bekam man ergebene, zu allem bereite
     Sklaven, über die man nach Herzenslust verfügen konnte. Die Geschichte der Menschheit strotzt vor Gerissenen, die Tausenden,
     ja Millionen Menschen das Hirn vernebelten.
    Ende der achtziger Jahre wurde Moskau von den verschiedenstenWahrheitsaposteln überschwemmt. Die Sekten, einheimische und importierte, gingen grob und geradlinig vor. Weiße Bruderschaft
     Gottesmutter-Zentrum, Aum Shinrikyoe, Muns Vereinigungskirche, die Kirche des letzen Vermächtnisses von Wissarion, Ronald
     Hubbards Scientology und viele andere.
    Der stille Jurist aus der Kreiskanzlei begann sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Er konnte sich nicht genug wundern, wie
     leicht es war, vom Leben alles zu bekommen, was man nur wollte. Normale Menschen, psychisch gesund, gebildet, verheiratet,
     waren bereit, einfach so, nur für ein paar Streicheleinheiten und das Versprechen, vom süßen Kuchen künftigen Glücks ein Stück
     abzubekommen, jedem Dahergelaufenen ihren gesamten Besitz zu überschreiben, ihre Familie zu verlassen, zu hungern, tagelang
     nicht zu schlafen, sich unter spezielle Geräte zur Gehirnwäsche zu legen, das heißt, eine sogenannte Initiation zu absolvieren,
     aufzubrechen in unbewohnte Taiga, nackt herumzulaufen, von früh bis spät irgendwelchen Quatsch nachzubeten und nicht zu denken,
     über nichts nachzudenken.
    Allein die »Aum-Sekte« gewann in Rußland fünfzigtausend Anhänger mitsamt deren Besitz. Geld ist nur Schmutz, darum muß man
     es rasch loswerden und alles, was man besitzt, dem großen Vater und Lehrer übergeben.
    Der amerikanische Science-fiction-Autor, Anhänger des berühmten Satanisten Crowley, der mittelmäßige Schriftsteller, aber
     begabte Scharlatan Lafayette Ronald Hubbard, hatte recht, als er erklärte: »Wenn du richtig reich werden willst, mußt du eine
     neue Religion stiften.«
    Und wer will nicht reich werden?
    Anfang der neunziger Jahre strömten Leute, die ihren Teil vom großen Kuchen abbekommen wollten, nach Rußland. Im Fernsehen
     sah man zu monotoner Musik einenbarfüßigen fetten Japaner mit grobem, aufgedunsenem Gesicht, Zickenbart und ungewaschenen Zotteln im roten Pyjama einen leeren
     Strand entlanglaufen. Das war Asahara, ein verrückter Krimineller und Terrorist. Die genaue Summe, die der Zuständige kassiert
     hat, um diesen Clip ins Fernsehen zu bringen, ist bis heute unbekannt.
    Im Kreml drückte ein anderer verrückter Krimineller, Sexualstraftäter und Milliardär im strengen schwarzen Anzug, der Koreaner
     Mun, die Hand von Michail Gorbatschow, und seine hübsche, rundliche Frau tuschelte vertraulich mit Raïssa Gorbatschowa. Wieviel
     hat derjenige kassiert, der dieses herzliche Treffen organisierte? Wieviel ein anderer für die Präsentation von Ronald Hubbards
     Buch im Kreml? Dem bescheidenen Juristen Viktjuk wurde ganz schwindelig, wenn er sich nur ungefähr die Summen ausmalte.
    In Moskaus Schulen wurden neue Kurse eingeführt, zum Beispiel »Die Kunst, ein Mensch zu werden«, nach der Methode des okkulten
     Zentrums »Univer« (geleitet von einem gewissen Jean Gaver, einem kriminellen Pädophilen, der sich als Franzose ausgab). Auch
     daran hat irgend jemand gut verdient.
    Nicht weniger aktiv waren einheimische »lebende Götter«, diverse Wissarions und Jungfrauen Maria Jesu, doch die ausländischen
     verfügten über bessere Möglichkeiten. Sie hatten in ihren freien Ländern bereits ein solides Kapital angehäuft und konnten
     die russischen Verfechter der Gewissensfreiheit großzügig schmieren.
    Diese Futterkrippe war gerade erst im Entstehen, und man mußte flink sein. Der Koreaner, liebenswürdig und kontaktfreudig,
     wie es sich für einen Missionar gehört, freundete sich gern mit dem erfahrenen Juristen an und brachte

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