Fuer Wunder ist es nie zu spaet
zögert nicht länger, schwingt sich durch das Fenster und
landet auf den knackenden Glassplittern. Mit großen Augen wandert sie einmal um
die monströse Skulptur. Sie riecht daran, befühlt sie und streicht mit ihren
Händen über die unebenen Seiten, sieht hinauf, kann das Ende jedoch nicht
sehen. Das Ding reicht mindestens vier Meter hoch, bis zur Decke. Wie hat er
das denn geschafft? Das ist wie ein Haus im Haus.
»Aber . . . sollte das hier nicht nach München?«
Jetzt hat auch Jens sich in den Saal gequetscht und betrachtet mit
großen Augen das riesenhafte Ding. Karin legt den Kopf in den Nacken.
»Aber das geht doch gar nicht. Es sei denn, man würde das ganze
Schloss sprengen.«
»Oder es anzünden.«
Jens und Karin sehen sich an.
59
A lex wacht davon auf, dass sein Handy
»The Final Count down« brüllt. Verdammt, wer ruft denn so früh an, wie spät ist
es denn? Die tickende Wanduhr zeigt Viertel vor sechs. Neben ihm liegt Josefin
tief schlafend in Kapuzenjacke und Strumpfhose. Sie schmatzt ein wenig, dreht
sich herum und schiebt die Hände unter ihre Wange.
Auf Alex’ Bauch liegt der Laptop und um ihn herum ein paar
»Simpsons«- DVD s. Autsch, das tut weh, er muss die ganze Nacht in
derselben Stellung gelegen haben. Er versucht, zwischen den ganzen
Taschentüchern das Handy zu finden. Taschentücher, Taschentücher, DVD -Schachteln,
Teetassen, Taschentücher, und da ist es. Alex schaut aufs Display. Maja. Die
Ruhe im Körper ist sofort dahin, das Herz fängt an zu rasen. Donk, donk, donk.
Er geht ran.
»Hallo?«
Alex flüstert und hört sein Herz laut pochen.
»Hallo, ich bin’s.«
Was soll er sagen? Kein Laut kommt heraus. Er hört Majas ebenfalls
flüsternde Stimme.
»Es ist alles gut gegangen. Pelle ist operiert, wir haben geredet,
und es scheint ihm gut zu gehen.«
»Okay.«
»Alex.«
Schon wie sie seinen Namen sagt. Alex. Mit einem deutlichen Punkt dahinter.
Alex. Das kann nur eins bedeuten, nämlich dass er abgeschossen ist.
»Ich verstehe.«
»Es ist jetzt alles anders.«
Piep, piep. Jemand hat ihm eine SMS geschickt. Seine
Zunge ist immer noch wie gelähmt. Was soll er sagen? Es gibt nichts zu sagen.
Gar nichts. Am anderen Ende flüstert Maja weiter.
»Wie geht es dir?«
Alex spürt nach. Wie geht es ihm? Keine Ahnung, nicht die geringste
verdammte Ahnung.
»Ich glaube, ich bin traurig.«
»Ich bin auch traurig. Das ist alles mein Fehler, ich hätte nicht .
. . Ich hätte dich nicht ermutigen sollen, schließlich bin ich erwachsen, und
du . . .«
Jetzt steigt in Alex der Ärger auf. Immer dieses Gerede, dass er
jung und unerfahren ist.
»Moment mal, jetzt reicht’s. Was heißt hier dein Fehler, ich bin
doch kein dummes Schaf, ich war ja wohl auch dabei. Das waren wir beide. Und
jetzt hör endlich auf zu sagen, dass ich ein kleiner Junge bin. Das bin ich
nicht. Nicht mehr.«
Josefin schmatzt noch einmal und wirft im Schlaf ihre Hand herum.
Sie landet auf Alex’ Bauch, und er lässt sie da liegen. Es wird warm und schön
unter der Hand, angenehm. Maja flüstert ins Telefon.
»Klar, da hast du recht. Aber ich hab trotzdem das Gefühl, völlig
aus der Spur geraten zu sein, meine Güte, ich war schließlich deine
Schwimmlehrerin. Aber du sollst wissen, auch wenn jetzt alles anders ist, dann
heißt das nicht, dass das, was wir hatten, nichts wert gewesen wäre. Es war
sehr viel wert.«
Alex weiß nicht, was er antworten soll. Es gibt einfach nichts zu
antworten.
»Du bist in Ordnung, Alex. Du bist ein ganz besonderer Mensch.
Stark, nett und ein phantastischer Liebhaber, ein Naturtalent. Vergiss das nie,
versprich mir das.«
Alex lacht ein wenig. Er lächelt, während ihm Tränen und Rotz
langsam über die Wangen, die Lippen und das Kinn laufen. Er greift sich eines
der alten Taschentücher und wischt sich ab. Puh, das scheuert.
Er flüstert ganz leise, um Josefin nicht zu wecken: »Was passiert
jetzt?«
»Bleib da, wo du bist. Die anderen auch. Ich komme in ein paar
Stunden, und dann werde ich euch um etwas bitten.«
»Das heißt, wir sehen uns bald?«
»Ja. Geht es dir einigermaßen gut?«
»Einigermaßen.«
Nach dem Gespräch lässt Alex seinen Kopf wieder auf das Kissen
sinken. Die Tränen laufen still vor sich hin. Ach genau, er hat doch gerade
eine SMS gekriegt. Er schaut noch mal aufs Handy.
»Denke an dich, wann bist du wieder in der Stadt? Daniella.«
60
M aja steht allein im Atelier und starrt
voller Entsetzen auf das absurd
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