Fuer Wunder ist es nie zu spaet
. . .«
Jens wischt sich mit einer Serviette aus dem Kiosk den Mund ab. Und
dann denkt er nach. Er sitzt eine Weile stumm da und überlegt, was er sagen
soll. Gleichzeitig schlägt sein Herz lauter, als wolle es im Ernst des Augenblicks
extra Stoff geben, damit das Blut schneller durch Jens’ Adern rauscht und ihm
große rote Flecken auf die Wangen zaubert.
Dann öffnet er den Mund: »Die Sache ist die, dass ich mit jemandem
zusammenleben will, der mich liebt. Voll und ganz. Natürlich kann ich dein
Freund sein, ich bin dein Freund. Aber wenn ich mit dir leben soll, dann können
wir nicht nur Freunde sein. Ich kann es nicht richtig ausdrücken, das klingt
jetzt alles ganz falsch, aber ich will nicht nur ein zuverlässiger Freund für
dich sein. Ich will dann auch dein Mann sein.«
Karin hält ihren Milchreis krampfhaft fest, als wäre er eine Rettungsboje
mit Erdbeergeschmack.
»Du sagst also, dass du ein bisschen mit mir leben willst, aber
nicht nur als ein Freund, sondern als mein Mann. Verstehe ich das richtig?«
»Ja.«
Schweigen. Karin hält ihren Milchreis umklammert, Jens zerdrückt
sein Sandwich.
Dann sagt Karin: »Und wenn ich dich frage, ob du mein Mann werden
willst, was antwortest du dann?«
»Fragst du mich das?«
»Ja. Das frage ich dich.«
»Wie jetzt?«
»Jens, willst du mein Mann werden?«
Karin sieht zu Boden und rührt nervös in ihrem Milchreisbecher. Jens
wischt sich den Mund ab und grinst breit.
»Ja, gerne!«
58
D ie Morgensonne scheint durch die
heruntergezogenen Jalousien und erzeugt Streifen im kahlen Krankenhauszimmer.
Das Fenster ist von dem anhaltenden Regen der Nacht beschlagen.
»Bitte noch etwas Wasser . . .«
Vorsichtig reicht Maja Pelle den Strohhalm, und er saugt ganz
schwach. Die Haare sind flauschig, eine fürsorgliche Krankenschwester hat
Pelles krauses Haar zu einem welligen, weichen Teppich gebürstet. Maja muss
lachen. Zum Glück kann er sich selbst nicht sehen, denn er würde es furchtbar
finden, welliges Engelshaar zu haben. Pelle lässt den Strohhalm von den Lippen
und konzentriert seinen Blick auf Maja.
»Gibt es das Schloss noch?«
Das Sprechen strengt ihn an, ein starker Husten rollt durch seine
Kehle.
»Ja. Der Regen hat das Feuer gelöscht.«
Pelle räuspert sich.
»Der Regen?«
»Ja, es hat nur so geschüttet. Ein bisschen regnet es immer noch.«
Pelle versucht den Kopf zu drehen, damit er aus dem Fenster sehen
kann. Und so liegt er da, der Kopf ruht schwer auf dem Kissen, und der Blick
ist zum Fenster gerichtet.
»Ich habe es angesteckt.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
»Ich kann nicht mehr arbeiten. Es wird keine Skulptur für München
geben.«
Maja bleibt der Mund offen stehen.
»Aber . . . du hast doch fast ein ganzes Jahr daran gearbeitet!«
»Glaub mir, es ist nur Mist. Ein großer Mist. Nichts, was zu
gebrauchen wäre. Autsch . . .«
Pelle streckt den Hals, und sofort ist Maja da und schüttelt das
Kissen auf.
»Du musst still liegen. Ganz still.«
Pelle lehnt sich zurück und schließt die Augen. Obwohl ihr Mund so
trocken ist, schluckt Maja und legt ihre Hand auf die von Pelle. Sie nimmt
Anlauf.
»Pelle. Du musst mir jetzt mal zuhören. Fühlst du dich klar im
Kopf?«
»Doch, doch.«
Pelle schließt die Augen, aber er zeigt, dass er zuhört. Maja
schluckt wieder.
»Ich liebe dich.«
Schweigen.
Pelle flüstert: »Das sagst du nur, weil ich hier liege und du ein
schlechtes Gewissen hast, und . . . Weißt du, ich habe das schon alles kapiert.
Ich habe dich und Alexander gesehen, also denk nicht, dass . . .«
»Moment. Warte mal, Pelle. Lass mich erklären.«
Maja schluckt wieder, ihre Kehle ist schrecklich trocken, es
schmerzt im Hals, und sie stiehlt sich einen Zug aus Pelles Strohhalm.
»Ich war dir untreu, Pelle, und ich werde das auch nicht auf
irgendeine Weise beschönigen. Es hat mich niemand verführt oder genötigt, ich
habe es selbst getan. Aber weißt du, ich war nicht glücklich . . .«
»Ich auch nicht. Ich wollte dir so viel sagen, ehe ich dich und ihn
. . .«
Sie schweigen. Die Ventilatoren surren, und draußen auf dem Flur
hört man das Gerassel eines Frühstückswagens. Maja streichelt zärtlich Pelles
Hand, und er lässt es geschehen.
»Was wolltest du sagen?«
»Du zuerst.«
Maja beugt sich zu Pelles Ohr und spricht leise, aber deutlich:
»Doch, ich liebe dich, Pelle. Aber ich muss mein eigenes Leben leben und nicht
deinen Traum. Vielleicht war es auch mein Traum, aber es war doch
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