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Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Titel: Fuer Wunder ist es nie zu spaet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Hamberg
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nur ein
Traum. Ich kann nicht in einem großen Schloss auf einer Insel leben, das bin
ich einfach nicht! Mein Gott, sieh mich doch an, weiter kann man gar nicht von
einer Prinzessin entfernt sein. Und ich kann nicht immer auf deine Kosten
leben, verstehst du? Ich will mein eigenes Geld verdienen, ich will frei sein.
Kannst du mir weiter zuhören?«
    Pelle nickt mit halb geschlossenen Augen, und Maja fährt fort.
    »Wir verkaufen das Schloss.«
    Sie schweigen eine Weile und lauschen auf den frühen Morgen, die
dumpf surrenden Krankenhausgeräte, die Stimmen des Pflegepersonals vor der Tür.
Pelle schläft fast ein, aber Majas Kopf läuft auf Hochtouren. Jetzt ist sie
ganz nah dran, sie spürt es, ganz nah an etwas, das gut ist.
    Pelle unterbricht die Stille. Sie beugt sich vor, um zu hören, was
er sagt.
    »Das Schloss ist doch längst nicht abbezahlt, da bleibt nichts für
uns übrig. Deshalb wollte ich die Bruchbude ja anzünden, und meine Skulptur,
die niemals nach München reisen wird, gleich mit. Dann hätten wir Geld, denn
das Schloss und die ganze Kunst sind doch versichert. Dann muss ich keine Angst
mehr vor München haben. Mein Gott, was würden die sagen? Ich bin am Ende,
verstehst du? Ich bin total erledigt. Niemand wird mir mehr einen Auftrag geben
und . . .«
    »Pelle. Denk nicht mehr daran. Ich kümmere mich drum, glaub mir, ich
werde dir helfen. Ruh dich aus, ich werde alles regeln.«
    »Scheiße, ich wäre besser gestorben. Ein armer und impotenter alter
Sack. Wozu soll der noch gut sein?«
    Maja versucht, aufmunternd zu lächeln.
    »Es gibt nichts, was ein wenig Therapie und Viagra nicht regeln
könnten.«
    Pelle grinst etwas schief und schließt die Augen.
    »Ich bin ein alter Mann. Vielleicht muss ich das mal begreifen.
Therapie und Viagra . . . Meinetwegen.«
    Seine Atemzüge werden schwerer und schwerer, jetzt schläft er,
allerdings mit einer ernsten Falte zwischen den geschlossenen Augen. Seine Hand
ruht in der von Maja, und über der Brust hat er eine dreißig Zentimeter lange
Narbe.
     
    Karin und Jens schlendern Hand in Hand den Hügel zum
Schloss hinauf. Jens dreht sich immer wieder um und schaut, ob sie auch
mitkommt und ob wirklich sie es ist, die in seinem Jogginganzug neben ihm geht
und seine Hand hält.
    Karin lächelt. Nie wieder wird sie diese Hand loslassen. Den Fehler
hat sie schon ein paarmal gemacht, nun passiert es ihr nicht noch einmal. Jetzt
wird sie nicht mehr im Geld, in der Arbeit, bei prestigeträchtigen Männern oder
im Alkohol nach Liebe suchen. Jetzt hat sie die Liebe bei sich, in Jens. So,
wie es eigentlich schon immer gewesen wäre, wenn sie nur nicht so lächerlich
viel Angst gehabt hätte.
    Es ist fünf Uhr morgens, der Regen hat aufgehört, und schwarz thront
das Schloss oben auf dem Hügel. Die heruntergebrannten Birnenspaliere hängen
wie schlappe Grashalme auf die verbrannte Erde herab. Die Fenster von Pelles
Atelier sind nichts als gähnende, schwarze Löcher, und der Pool ist ein
einziges Durcheinander aus Glassplittern und Ruß. Hinter den schwarzen
Atelierfenstern kann man etwas Großes ahnen, riesig wie ein Berg.
    »Was ist das denn da drin? Es sieht ziemlich monströs aus, ich weiß
ja nicht . . .«
    Karin zeigt auf das Atelier, und sie treten an die schwarzen
Fensterhöhlen. Es knackt unter ihren Füßen, doch sonst ist kein Laut zu hören,
außer dem glücklichen Gezwitscher der Vögel, denen der Regen Würmer und andere
gute Dinge aus dem Boden gelockt hat. Vorsichtig steigen Jens und Karin über
Gerümpel, verbrannte Birnenäste und zersplitterte Fensterrahmen.
    »Wenn nur seine Kunst nicht zerstört worden ist. Er hat doch von
seiner Skulptur erzählt, die jetzt dieser Tage nach Deutschland geschickt
werden sollte, wenn die nur nicht verbrannt ist. Das wäre eine Katastrophe.«
    Sie stehen vorm Atelier, Pelles höchst privatem Gebiet. Jens und
Karin sehen sich nachdenklich an. Sollen sie es wagen, hineinzuschauen? Dürfen
sie das? Jens nickt stumm, und Karin lehnt sich durch die Fensteröffnung und
schlägt sich dabei fast den Kopf an etwas Riesigem, das sich da drinnen vor ihr
auftürmt.
    »Oho.«
    »Allerdings, das kann man sagen.«
    Es stinkt nach Feuer, Chemikalien und Feuchtigkeit. Auf der kleinen
noch freien Fußbodenfläche liegen Splitter. Doch viel Boden ist nicht zu sehen,
denn das ganze Atelier ist von einem Monument ausgefüllt, einer grotesk großen
Schöpfung. Die reine Angst in fünf Tonnen. Einhundertzwanzig Kubik Seelenpein.
    Karin

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