Fuer Wunder ist es nie zu spaet
das auf
dem grün leuchtenden Hügel thront. Sie hat Jens einfach im Gras zurückgelassen,
soll er doch zum Teufel fahren mit seiner selbstzufriedenen Art. Ob sie
vielleicht lieber am Ufer zurückgehen sollte? Hat sie den Mut? Karin macht einen
Schritt nach rechts und schaut zum Uferstreifen hinüber, doch, das könnte
gehen. Der weiche Sandstrand ist mindestens fünf Meter breit, und wenn sie
nicht will, dann müssen ihre Füße das Wasser nicht einmal berühren. So soll es
sein – ein Spaziergang am Ufer.
Sie versucht, langsamer zu gehen, tief zu atmen und sich
aufzurichten. Ihr Vater. Immer wieder taucht er auf. Jetzt ganz ruhig, Karin,
du bist deinem Vater überhaupt nichts schuldig, gar nichts. Er war ein
beschissener Vater, und jetzt stirbt er. Was hat das mit ihr zu tun? Wenn sie
wieder am Schloss ist, wird sie sich ein paar Gläser Wein reinziehen und dann
diese Krankenschwestern anrufen und ihnen mal erklären, was Sache ist. Der
Mann, der da liegt und ihren Namen schreit, der kann von ihr aus so lange
schreien, bis er stirbt. Umgekehrt war es ja nicht anders. Sie hat geschrien
und geschrien, und er ist nicht gekommen. Jetzt darf er selbst dran glauben.
Verzeihen! Von wegen! Dieser Jens hat wirklich zu viele
Krankenhausserien geschaut. Natürlich könnte sie hingehen, ihm verzeihen, so
tun, als wäre sie die nette Tochter, ihm beim Sterben zusehen und dann tschüs.
Kein Problem. Aber sie will das nicht! Sie will nicht verzeihen. Nun würde
Dipl.-Psych. Jens natürlich sagen: »Und wenn dein Vater sich jetzt bei dir
entschuldigen will und deshalb möchte, dass du kommst?« Klar, aber das hätte er
einfach machen müssen, ehe er zwischen Himmel und Hölle schwebte.
Plötzlich hört Karin Gekicher. Weiter unten am Seeufer wird
gekichert. Ihre Gedanken verstummen, sie schleicht vorsichtig weiter, klettert
über Strandveilchen und wilden Lein, immer dem Kichern nach, und schaut am Ende
über ein paar hohe Brombeerbüsche hinweg, die direkt am Ufer stehen. Dahinter
liegen Maja und Alex. Alex auf dem Rücken mit irgendeinem komischen geblümten
Teil über dem Kopf, Maja neben ihm, im Bikini, die Haare offen. Maja beugt sich
lächelnd über Alex. Er lächelt auch. Was machen die da eigentlich? Karin tritt
einen Schritt weiter ins Brombeergestrüpp.
Alex liegt schweigend auf dem Rücken, die Augenbinde hat
er noch um. Maja sitzt ebenso still neben ihm. Sie atmen im selben Takt, und
man hört nur ihren Atem und das Rascheln des dichten Laubwerks. Dann spürt
Alex, wie sich seine Hand bewegt. Er kann sie nicht sehen, sondern spürt nur, wie
sie sich bewegt, und er kann oder will sie nicht aufhalten. Alles ist rot, er
sieht nichts, aber seine Hand spürt Majas Oberschenkel, der ganz sonnenwarm und
samtweich ist. Die Hand wagt kaum, sie richtig zu berühren, nur fast. Der Atem
wird schwerer. Er schluckt. Sie schluckt. Seine Hand streichelt federleicht
weiter, an der Hüfte entlang, die Taille, nach innen, den Bauch. Sie atmet
schwer, der Bauch hebt und senkt sich. Alex schluckt wieder. Dann lässt er die
Hand ihre Brust berühren. In seiner Handfläche fühlt er durch den dünnen Stoff
ihres Bikinis die harte Knospe der kleinen Brustwarze.
Maja schluckt. Sie sieht, wie die braune Hand den Linien ihres
Körpers folgt. Die Hand will sie anfassen, will sie haben, neugierig, hungrig
und unendlich scheu zugleich. Maja versucht, ihre Gedanken zu ordnen, sie
versucht die klugen Gedanken zu denken, die freundlich, aber entschlossen Alex’
Hand beiseiteschieben und dieses dämliche Blindekuh-Spiel beenden. Aber die
Gedanken wollen nicht kommen. Es kommen gar keine Gedanken, sondern nur eine
brennende Lust, die unten in den Zehen beginnt, wie wilde Kohlensäure die Beine
hinaufsaust und in ihrem pochenden Unterleib Wurzeln schlägt. Sie will nur
noch, dass die Hand von Alex sich weiter vortastet. Es ist so ewig lang her,
dass sie eine Hand mit einem derart starken Willen auf ihrem Körper gespürt
hat. Und deshalb sitzt sie einfach da und atmet.
Alex lässt seine Hand auf ihrer Brust ruhen und befreit sich mit der
anderen von der Augenbinde. Dann sieht er sie, wie sie mit roten Wangen und
ernster Miene ganz still dasitzt. Ihre Blicke begegnen sich. Seine Hand
umgreift ihre Brust etwas fester, umfasst sie. Da beugt sich Maja, ohne zu
zögern, über ihn, auf seine leicht geöffneten Lippen zu, die so feucht nur auf
sie warten.
Auf einmal ahnt sie etwas im Augenwinkel. Da steht jemand im
Brombeergestrüpp.
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