Fuer Wunder ist es nie zu spaet
zusammenreißen.
Er muss mit Maja reden und ihr erklären, wie sehr er sie liebt und dass . . .
dass all die Schwierigkeiten mit ihrem Sexleben nicht ihre Schuld sind. Muss
ihr sagen, dass er will, aber nicht richtig kann. Verdammt, er kriegt einfach
keinen mehr hoch! Klar, dass man sich da nicht unbedingt sexy vorkommt.
Verdammt, das ist unmännlich und abtörnend. Wie soll er ihr noch in die Augen
sehen können, wenn er nicht mal mit ihr schlafen kann?
Irgendwie hat es mit der Skulptur zu tun. Die ist immer mehr
gewachsen und hat das ganze Atelier ausgefüllt, und dann hat sie jegliche Form,
Raffinesse und jedes Gefühl verloren und war am Ende nur noch widerlich und
tot. Und da ist es passiert, da hat sein Schwanz ihm die Zusammenarbeit
aufgekündigt. Als wäre er ebenfalls tot. Meine Güte, was hat er sich bemüht, um
ihn wenigstens ein klein bisschen hochzubekommen, doch dann ist er wieder verschwunden
und hat sich versteckt. Hoffnungslos.
Und das mit Maja, die doch so jung, lebhaft und liebeshungrig ist.
Er spürt das, und er weiß es, aber wenn sie sich ihm mit diesem Blick nähert,
dann geht gar nichts mehr. Da wird er fast wütend auf sie und auf sich selbst
und auf alles. Er hat es nicht geschafft, ihr davon zu erzählen, denn die Scham
darüber, dass er nicht funktioniert, ist schlimmer als sein komisches
Verhalten, deshalb hat er sich für die Flucht entschieden. Er hat angefangen
manisch zu kochen, hat sich im Atelier eingeschlossen und an dem Monster
gearbeitet, hat von komischen Dingen geredet, Rechnungen bezahlt – was auch
immer, nur um nicht mit seiner Frau schlafen zu müssen.
Und bald wird er auch keine Arbeit mehr haben, aber dafür mindestens
drei Millionen Kronen Schulden, denn die Leute in München werden ihr Geld
zurückfordern, so viel steht fest. Dicklicher Mittsechziger mit Schulden in
Millionenhöhe und einem Potenzproblem fragt sich, warum es mit seiner Frau
nicht mehr rund läuft. Antworten bitte an Kennwort »Bald auch noch Glatzkopf«.
Warum hat er ihr nicht einfach die Wahrheit gesagt, dass er impotent
ist und irgendwelche Pillen braucht? Prozac. Nein, das war die falsche. Wie
heißt denn dieses Scharfmacherzeug? Auch egal. Morgen wird er mit Maja reden
und ihr alles erzählen. Vielleicht sollte er sie zu einer Reise einladen? Wie
wäre es mit Stockholm? Sie könnte ihre Freunde sehen, das fehlt ihr nämlich.
Vielleicht würde sein bester Freund auch mal wieder bereitstehen, wenn er nicht
mehr in der Nähe des Riesenelefanten im Atelier sein muss. So wird er es
machen.
Pelle erhebt sich schwerfällig, reckt sich und bewundert den schönen
Anblick von Pugh, Mads und Fatima beim Baden. Sie schwimmen plaudernd in dem
glatten, nachtschwarzen Wasser. Channa wirbelt immer noch mit einer Flasche
Wein im Arm auf dem Tanzboden herum.
Jetzt wird sich alles wenden, Pelle spürt es. Er wird das Ruder
herumreißen. Wenn er alles genau so sagt, wie es ist, dann wird sich das Blatt
wenden, und dann kann er vielleicht wieder sexuell und schöpferisch tätig sein.
Aber erst muss er sich erleichtern. Verschwitzt schwankt er auf das
Labyrinth aus Hainbuchen zu.
Karin sitzt am Seeufer. In der Ferne hört sie Patti Smith
singen. Das Wasser ist still, und im Mondschein sieht es samtig und freundlich
aus.
Der grüne Unterrock klebt an ihrem verschwitzten Leib. Nein, sie
will nicht mehr. Diese Erkenntnis verschafft ihr plötzlich eine völlig neue
Ruhe. So, als würde das Herz endlich anfangen, in einem anderen Takt zu
schlagen, und als würde das Gehirn aufhören, sich wie verrückt zu drehen. Als
könnte sie endlich atmen.
Sie hat ihre Tochter Simone, aber wenn man ehrlich ist, dann hat sie
auch die nicht. Karin hat immer nur das Beste für Simone gewollt, und Simone
ihrerseits ist vor den ewigen Ermahnungen ihrer Mutter geflohen. Lass die
Schule nicht schleifen! Trink keinen Alkohol! Geh nicht mit jedem ins Bett! Gib
acht auf dich! Werd nicht zu dick! Iss in Maßen! Immer Stil bewahren! Lies
Bücher! Beweg dich!
Sie hat sie wegen allem und jedem ermahnt, während sie gar nicht gut
für sich selbst gesorgt hat. Karin hat heimlich getrunken und zur
Selbstbestätigung mit Männern geschlafen. Nach einem zu gehaltvollen Dessert
hat sie sich den Finger in den Hals gesteckt. Simone hat das alles gewusst,
aber sie ist ohnehin ganz anders.
Ihre Tochter hat nie getrunken und seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr
einen festen Freund. Sie ist gesund und rein und ehrgeizig, ohne dass es zu
viel wäre.
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