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Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Titel: Fuer Wunder ist es nie zu spaet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Hamberg
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Eine Traumtochter, an der Karin doch nur herumgemäkelt hat. Immer
hat sie gemeckert, sowie ihr Bauch mal ein bisschen runder war, anstatt ihn
rund sein zu lassen und sich über das Selbstbewusstsein ihrer Tochter zu
freuen.
    Sie ist eine verdammt beschissene Mutter gewesen. Immer hat sie an
ihre eigenen Eltern gedacht und alles anders machen wollen, aber dazu hat ihr
das richtige Handwerkszeug gefehlt. Sie hatte immer nur einen Hammer, kein feines
Schmirgelpapier oder Schraubendreher. Da war immer nur der verdammte Hammer.
    Klar telefonieren sie manchmal miteinander, und klar treffen sie
sich manchmal. Aber Simone hält die Hand hoch wie ein Stoppschild: Bis hierher
und nicht weiter, Mama.
    Und jetzt stirbt auch noch Karins Vater. Vielleicht ist er auch
schon gegangen. Und wo sind die Freunde? In gewisser Weise sind die auch schon
tot. Sie leben in einem anderen Universum als Karin. Das war von Anfang an
schon so. Was auch immer sie tut, ihr Universum dreht sich gegen den
Uhrzeigersinn. Dann wird sie komisch und unangenehm, und keiner hält es mehr
mit ihr aus. Außer Jens. Keiner hat es so mit ihr ausgehalten wie Jens. Ist das
nicht seltsam? Ein bescheuerter alter Klassenkamerad ist der Einzige, der ihr
wirklich nahesteht, der Einzige, der ihr immer eine Hand gereicht hat, die sie
manchmal sogar anzunehmen wagte. Jens, den sie im Stich gelassen hat.
    Es ist am besten für alle, für Simone, für sie selbst und . . . tja,
wer sonst sollte sich schon darum scheren? Niemand. Niemand schert sich um sie,
nicht einmal sie selbst. Karin steht auf und watet in das seichte Wasser
hinaus. Ihr Herz schlägt ruhig und bestimmt.

     
    35
    A lso, ich weiß ja nicht . . .«
    »Entspann
dich, leg dich einfach nur hin, und lass locker. Du musst nichts tun.«
    Pedro breitet das Lammfell, das er vom Grillplatz mitgebracht hat,
auf dem alten feuchten Fliesenboden in der Orangerie aus. Die Weinranken haben
hier überhandgenommen und klettern über zerbrochene Fensterscheiben, Fußboden
und Decke. Die Luft ist schwer vom süßen Weintraubenduft, der sich mit dem
Geruch von feuchter Erde mischt.
    »Lass dich nieder, mein schöner Jens.«
    Jens setzt sich gehorsam auf das weiche Fell und streicht über die
türkisfarbenen Fliesen mit den schon vor Jahrhunderten abgeplatzten Stellen.
    Pedro pflückt mit eleganter Geste eine Rebe Mourvèdre, hebt sie hoch
und beißt eine Frucht ab. Er kaut und schluckt, dann reicht er Jens die Rebe
und setzt sich ihm gegenüber.
    Jens schließt die Augen und kaut. Er erlebt den Geschmack von
Brombeeren und Pflaumen in der süßen Traube. Es herrscht eine magische
Stimmung.
    »Darf ich dich küssen?«
    »Was?«
    Jens reißt die Augen auf und starrt Pedro an.
    »Ich habe gefragt, ob ich dich küssen darf.«
    »Was? Nein. Nein, ich glaub nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil . . . weil ich langsam bin . . .«
    »Wir können uns langsam küssen.«
    Pedro beugt sich vor und lässt seine Lippen unendlich langsam die
von Jens berühren. Der zuckt blitzschnell zurück.
    »Ich kann das nicht so schnell, und außerdem bin ich . . .«
    »Nicht verknallt in mich?«
    »Es hat nichts mit dir zu tun, ich . . . Es ist mehr so, dass ich
mit einer anderen Sache noch nicht ganz im Reinen bin.«
    »Mit einer anderen Sache?«
    »Ja, oder . . . Ich weiß nicht, ich kann das nicht so gut erklären.«
    »Jetzt bin ich aber neugierig. Was ist denn das für eine Sache?«
    Pedro setzt sich auf und ist ganz offensichtlich bereit, ihm
zuzuhören.
    »Eigentlich ist es ein Mensch. Da gibt es noch einen anderen
Menschen, mit dem ich nicht richtig im Reinen bin.«
    »Ah, ich verstehe. Du willst also sagen, dass ich das mit dem Kuss
besser vergessen soll?«
    Pedro hat einen Hundeblick aufgelegt und tut so, als sei er
verletzt. Dann lacht er, um der ganzen Geschichte die Dramatik zu nehmen, und
macht eine abwehrende Handbewegung. Jens lacht etwas verschüchtert und wischt
sich die verschwitzten Hände am Oberschenkel ab.
    »Ich fürchte, ja. Aber . . . du bist nett, daran liegt es nicht.«
    »Kein Problem für mich. Möchtest du noch eine Traube?«
    »Ja, bitte.«
    Pedro reicht Jens eine Handvoll Trauben. Sie stecken sich die
Früchte in den Mund und sitzen nun schweigend und gemächlich kauend
nebeneinander im Mondschein, der durch die Scheiben sickert. Pedro sieht Jens
an.
    »Als Gärtnermeister und so weißt du doch bestimmt viel über Trauben,
oder?«
    »Ja, einiges.«
    »Kannst du mir nicht davon erzählen, während ich mich

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