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Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Er hatte mitbekommen, dass sich die Frauen in einem Straßencafé treffen wollten. Auf dem Ostertorsteinweg. Nur mal vorbeifahren. Gucken, nichts weiter.
    Die Cafés waren voll. Er fuhr langsamer.
    Da saßen sie. Alle.
    Das Blut schoss ihm in den Kopf. Die ganze Abteilung hatte sich verabredet. Der Neue war auch dabei und sogar der Chef. Hockte direkt neben Jessica und glotzte ihr in den Ausschnitt. Nur er, Marc Schwendtker, war nicht eingeladen. Obwohl er seit fünf Jahren in der Abteilung arbeitete. Obwohl er sich wirklich Mühe gegeben hatte. Er war abgeschrieben, aussortiert.
    Mit schweißfeuchter Hand strich er über seinen kurz geschorenen Schädel. Im Nacken klebte etwas, was sich wie ein großer Pickel anfühlte. Bevor er darüber nachdenken konnte, schoss der Wagen vorwärts. Wie von selbst. Raste auf den Bürgersteig zu, hüpfte über die Bordsteinkante. Leute schrien, Stühle und Tische flogen durch die Luft. Jessica erkannte ihn erst im letzten Moment. Erstaunen im Gesicht.
    Endlich begriff sie, was für ein Kerl er war. Zu spät. Der Wagen hatte sie bereits erfasst. Sie hing auf der Motorhaube. Dann die Hauswand. Blech und Knochen brachen. Zu Airbags hatte er sich nie entschließen können. Sein Kopf knallte gegen das Lenkrad.

9
Norderney, Fähranleger

    Die Passagiere beeilten sich, die Fähre zu verlassen. Vielen sah man an, dass sie froh waren, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Salzige Böen fegten über das Plateau. Martin Geis sog den Geruch ein. Er mochte es, wenn das Wasser gegen die Kaimauer klatschte, wenn es sich aufbäumte und seine Kraft demonstrierte. Meistens tarnte sich das Wattenmeer als grauer, spiegelglatter Tümpel. Aber an Tagen wie dem heutigen brachte es sogar die großen Autofähren zum Schaukeln. Dann genügte die kurze Strecke von Norddeich bis Norderney, um manchen Landeiern eine grünlichgraue Farbe ins Gesicht zu treiben.
    Auch Lange und die übrigen Sicherheitsexperten hatten heute Morgen die Fähre nehmen müssen. Der Wind blies so stark, dass der Flugverkehr von und nach Norderney eingestellt worden war. Geis hatte die Delegation zum Hafen begleitet und sich innerlich beglückwünscht, als das Schiff ablegte.
    Jetzt, am Nachmittag, hielt Geis Ausschau nach einer alleinreisenden Frau. Er trug seine dunkelblaue Uniform, damit auch sie ihn erkennen konnte. Die Wissenschaftlerin hatte sich am Telefon nach Eiko Berends erkundigt. Es ging um die Zecke, die Hannah gebissen hatte, so viel hatte er begriffen. Wieso ein Bundesinstitut involviert war und warum Eiko Berends zu der Angelegenheit befragt werden sollte, darüber hatte sich diese Frau Dr. de Monti ausgeschwiegen. Und Geis’ Interesse geweckt.
    Eine Blondine in hochhackigen Schuhen, die ihren Rollkoffer wie ein Schoßhündchen spazieren führte, stiefelte ohne Umweg zu einem wartenden Taxi. Eigentlich schade.
    »Sind Sie der Leiter der Polizeistation?«
    Geis schaute nach unten. Vor ihm stand eine knapp ein Meter sechzig große, schlanke Frau. Anfang dreißig, halblange dunkle Haare, bleiches Gesicht mit hohen Wangenknochen, über denen sich die Haut spannte. Die Sorte Intellektuelle, in deren Gegenwart Geis sich schrecklich ungebildet vorkam.

    »Martin Geis. Und Sie sind Frau Dr. de Monti?«
    »De Monti reicht. Den Doktor können Sie weglassen.«
    Schon während er zwei Finger salutierend an die Mütze legte, bereute er die Geste, sie machte seine Unsicherheit nur noch deutlicher.
    »Mein Wagen steht da drüben.«
    »Der blau-weiße mit der Aufschrift Polizei? «
    Bevor er begriff, dass sie einen Scherz gemacht hatte, stand sie bereits hinter dem Kofferraum.
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen.«
    »Danke. Ich habe nur leichtes Gepäck dabei.«
    Nach einem albernen Tanz, bei dem vier Hände an dem Koffer zerrten, lag das Ding endlich auf der Ablagefläche.
    Geis zündete den Motor. »Wie war die Überfahrt?«
    »Gut.« De Monti starrte durch die Frontscheibe auf die schnurgerade Hafenstraße.
    »Das Meer ist ein bisschen ruppig heute.«
    »Kein Problem.«
    »Ihnen ist nicht schlecht geworden?«
    »Nein.«
    Der Hauptkommissar spürte, wie sein Nacken steif wurde. Die Frau verursachte ihm ernsthafte Verspannungen. Vor allem ärgerte ihn, dass sie ihn keines Blickes würdigte und stattdessen das Gewerbegebiet am Straßenrand betrachtete.
    »Liegt an meiner Arbeit«, sagte de Monti plötzlich.
    »Was?«
    »Dass ich so bleich bin. Sie wissen schon, Forscher hocken den ganzen Tag in ihren Labors unter der Erde und

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