Fürchte dich nicht!
brachten keinen Erfolg. Wer hier lebte, war wochentags damit beschäftigt, Geld zu verdienen. Oder auf der Flucht.
Von dem gediegenen innerstädtischen Wohnviertel zum münsterschen Polizeipräsidium brauchte Geis nur einige Minuten. Nachdem er den Wagen auf dem Parkplatz abgestellt hatte, fuhr er mit dem Aufzug bis zu der Etage, in der sich die Sonderkommission ausgebreitet hatte. Offiziell standen die Ermittlungen inzwischen unter nordrhein-westfälischer Leitung, inoffiziell hatte Lange dafür gesorgt, dass weiter Goronek gemeinsam mit Bischoff und Schöning die Fäden zog. Da Geis nicht zur Soko gehörte, war er nicht an den Konferenzen und Arbeitsplanungen beteiligt, aber er hatte Zugang zu allen schriftlichen Informationen.
Auf den meisten Monitoren blinkten Bildschirmschoner, wahrscheinlich fand gerade eine Konferenz statt. Geis setzte sich an den erstbesten Schreibtisch und loggte sich ein. Die Soko Zecke , wie sie intern firmierte, umfasste rund hundertzwanzig Mitglieder, die jeden Tag Unmengen von Texten produzierten. Einige Beamte waren daher permanent damit beschäftigt, das elektronische Archiv zu aktualisieren.
Geis rief das Stichwort Eichkorn auf. Die Vorgeschichte des Dia-Lab- Gründers nahm nicht einmal sieben Zeilen ein: Dr. Matthias Erich Eichkorn, geb. 21.07.1971 in Gelsenkirchen, Studium der Medizin in Münster, Dr. med., nach Forschungsprojekten in Münster Gründung der Firma Dia-Lab (Arzneimitteltests) in Gronau im August 2005. Arbeitgeber von Rainer Wesseling (Link) seit September 2008.
Dann folgte das Vernehmungsprotokoll, das Geis noch einmal aufmerksam las. Es enthielt nichts, was er nicht schon kannte, allerdings hatte sich Eichkorn gehütet, seine angebliche Familie zu erwähnen.
Geis verließ das polizeiinterne System und ging ins Internet. Bei Google gab es Hunderte von Eintragungen zu Eichkorn, die meisten im Zusammenhang mit Dia-Lab. Geis überflog die Stichworte und klickte sich durch die Seiten. Als sich ähnliche Links wiederholten und er die Suche schon abbrechen wollte, elektrisierte ihn ein zweiter Name neben dem von Eichkorn. Er rief den gesamten Text auf und spürte, während er las, wieder das Kribbeln, mit dem sein Jagdinstinkt erwachte. Ja, das war das Indiz, das er brauchte, die Verbindung zwischen Eichkorn, Wesseling und der neuen FSME.
Im Telefonbuch fand er die Nummer des Instituts für Medizinische Epigenetik und hatte Glück, Professor Walter war anwesend und gleich im Bild: »Eichkorn, ja, der hat bei mir studiert. Seine Doktorarbeit behandelte einen Aspekt unserer Traumaforschung.«
»Das heißt, er weiß, wie Sie es geschafft haben, den Mäusen die Angst zu nehmen?«
»Im Prinzip: Ja. Zumindest bis zum Stand von 2005. Bis dahin war er an Forschungsprojekten beteiligt. Danach habe ich ihn aus den Augen verloren. Wobei das, was wir seitdem gemacht haben, nicht der Geheimhaltung unterliegt, jeder kann sich auf Kongressen und in Fachzeitschriften darüber informieren.«
Geis konnte seinen Ärger über die Weltfremdheit des Wissenschaftlers nicht verbergen: »Sagen Sie, Herr Professor, lesen Sie keine Zeitung? Schauen Sie kein Fernsehen? Eichkorn stand in enger Verbindung zu dem Mann, der verdächtigt wird, die verseuchten Zecken in Umlauf gebracht zu haben. Da muss es doch bei Ihnen geklingelt haben!«
»Ich nehme an, Sie bekommen täglich eine Menge Hinweise.« Professor Walter blieb gelassen. »Da dürfte es schwerfallen, auf dem Laufenden zu bleiben.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich habe angerufen, schon vor einer Woche, sobald ich Eichkorns Namen zum ersten Mal gelesen habe. Ich weiß nicht mehr, wie der Beamte hieß, mit dem ich gesprochen habe. Sein Name hatte etwas mit Kirche zu tun, ein …«
»Bischoff«, sagte Geis.
»Richtig. Ich wurde zu ihm durchgestellt. Und er betonte ausdrücklich, dass er meine Information für wichtig halte.«
»Entschuldigen Sie bitte!«, sagte Geis. »Anscheinend habe ich etwas übersehen.«
»Ja«, sagte eine Stimme neben ihm. »Sie haben übersehen, dass Sie an meinem Schreibtisch sitzen.«
Ein ungeduldig guckender Jüngling aus Goroneks Truppe wartete darauf, dass sein Platz frei wurde. Geis tat ihm den Gefallen. Einzeln oder in kleinen Grüppchen sickerten immer mehr Ermittler in das Großraumbüro. Einige warfen Geis verstohlene Blicke zu.
»Wo finde ich Bischoff?«
»Am Ende des Flurs. Aber er hat jetzt keine Zeit.«
»Für mich schon«, sagte Geis.
Bischoff schaute überrascht auf. »Du? Ist
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