Fürchte dich nicht!
allerdings kein Virus der Welt etwas ausrichten. Ein weltgewandter Mann wie Deus, der vermutlich in den besten Hotels der Welt abstieg, musste sich hier einfach langweilen.
Immerhin besaß der Versammlungsort Stil. Der Raum, in dem Deus seine Anhänger traf, das Gebäude, auf das er von seiner Dachwohnung aus blickte. Es gefiel ihm, das hatte Saskia sofort gemerkt. Und sich gefreut, dass sie und ihre Helfer die richtige Wahl getroffen hatten.
Sie erreichten die Innenstadt von Oldenburg. Saskia schaute sich nach einem Parkplatz um. »Ich habe hier mal in einem mongolischen Restaurant gegessen. Was hältst du davon?«
»Klingt gut.« Deus nickte. »Was immer du willst.«
Die mongolische Kellnerin trug beige Stützstrümpfe, hatte eine tiefe Stimme und lachte so dreckig wie ein kettenrauchender Bauarbeiter. Aber das Essen schmeckte Deus vorzüglich, und darauf kam es schließlich an. Saskia strahlte, als er sich lobend äußerte.
Deus griff nach ihrer Hand und drückte sie an seine Lippen. »Ich liebe dich. Weißt du das?«
»Nein.« Sie spürte, wie ihr heiß wurde.
»Ich liebe dich auf meine Art. Das heißt, ich darf nicht so egoistisch sein, dich für mich allein haben zu wollen. Und du musst verstehen, dass ich auch für alle anderen da bin. Eine Zweierbeziehung ist uns nicht gestattet, zumindest so lange nicht, bis wir unsere Aufgabe erfüllt haben.«
»Natürlich.«
»In einigen Tagen wird eine Frau zu uns kommen, eine Wissenschaftlerin. Sie ist sehr wichtig für uns. Für mich.«
Wissenschaftlerin? Doch nicht etwa diese Viola de Monti, die sich auf Norderney herumgetrieben hatte? Und die später mit Martin Geis in Münster verhaftet wurde?
»Ich werde mich intensiv um sie kümmern. Vielleicht werde ich sogar mit ihr schlafen.«
Sie hasste de Monti. Sie wollte nicht, dass Deus mit der Zeckenforscherin schlief. Aber welches Recht hatte sie, Saskia Fischer, dem Mann Bedingungen zu stellen, der mit seiner Schöpfung die Welt verändern würde? Der ihr und vielen anderen zu einem neuen Leben verholfen hatte? War es nicht eine Gnade, ihn bei seinem Werk unterstützen zu dürfen?
Deus hielt ihre Hand fest umklammert. »Eifersucht ist ein Gefühl aus der alten Zeit, es ist unnütz und hindert uns daran, gemeinsam für das eine Ziel zu kämpfen. Meine Beziehung zu dieser Frau berührt nicht im Geringsten meine Beziehung zu dir. Versprichst du mir, dass du nicht eifersüchtig sein wirst? Dass du dieser Frau mit der Achtung begegnest, die ihr gebührt?«
Der Kampf, den Saskia mit sich selbst ausgefochten hatte, war beendet. Ihre Muskeln erschlafften. »Ich verspreche es.«
42
Münster, Erphoviertel
Über die Reihenfolge war lange diskutiert worden. Sollten Wissenschaftler in biowaffentauglichen Schutzanzügen vorangehen und die Räume auf mögliche Gefahren checken? Oder doch zuerst SEKler die Wohnung stürmen und sichern? Schließlich hatte man sich für das Sondereinsatzkommando entschieden, dessen Kampfuniformen zumindest vor Zeckenstichen schützten.
Geis stand mit Schöning im Treppenhaus, während eine halbe Etage höher Eichkorns Wohnungstür mit lautem Knall unter dem Rammbock nachgab und die toughen Jungs ihr Polizei-Gebrüll anstimmten.
Geis dachte daran, dass es sich vermutlich um dasselbe Kommando handelte, das Viola und ihm vor nicht allzu langer Zeit auf den Fersen gewesen war. Die Flucht aus dem Hotel lag gerade mal zwei Wochen zurück und doch kam es ihm so vor, als erinnerte er sich an eine Episode aus einem früheren Lebensabschnitt. Seitdem er Norderney verlassen hatte, war nichts mehr wie zuvor, ein Zeitstrudel hatte ihn erfasst, der ihn immer schneller herumwirbelte. Ob sich wohl irgendwann wieder Normalität einstellte, Gewohnheiten, die seinem Leben Halt gaben? Und wo würde er sich dann wiederfinden: in Hannover? Auf Norderney? Oder an einem Ort und unter Umständen, von denen er heute noch nichts ahnte?
»Gesichert«, drang es vielstimmig von oben herunter.
»Zielperson nicht angetroffen«, erläuterte die vom Funkgerät metallisch verzerrte Stimme des Kommandoführers. »Soweit erkennbar kein Gefahrenpotenzial vorhanden, die Wohnung scheint sauber zu sein.«
Schöning nickte den beiden Virologen zu, die mit ihnen auf dem Treppenabsatz warteten. »Sicher ist sicher. Wir haben uns schon genug blamiert.«
Die Wissenschaftler klappten die Visiere des Kopfschutzes herunter und stapften in ihren unförmigen weißen Astronautenanzügen die Treppen hinauf. Ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher