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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Rivers Augen bemerkte.
    Brodie lächelte. Es war das schiefe Lächeln von River und von Neely. »Das heißt, dass ich etwas Besonderes bin, oder? Ich hab es schon immer gewusst, aber jetzt werden es auch alle anderen erfahren. River – schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«, brüllte er plötzlich. »Ich weiß, dass du gerade versuchst, deine Gabe einzusetzen. Ich kann es spüren. Es ist, als würde zwischen deinem und Lukes Körper Strom fließen. Aber du hast deinen Wahnsinn zu wenig trainiert. Du bist geistig viel, viel zu gesund. Vertrocknet und schwach bist du. Du kannst nur dastehen, mich ignorieren, Luke anstarren und verzweifelt hoffen, dass dein Funkeln euch rettet. Aber du hast keine Chance. Meine tanzenden Blitze prasseln mit solcher Wucht auf dich ein, dass dein Funkeln dagegen verblasst. Stört dich das nicht? Ich meine, da bist du ein echter Vollblut-Redding und trotzdem hast du gegen mich schon verloren, bevor ich überhaupt losgelegt habe. Das ist doch erbärmlich, Bruder. So sollte das nicht laufen. Komm, ich zeig dir, wie man es richtig macht.«
    Brodie hob den Arm, vollführte eine kreisförmige Bewegung über seinem Kopf und schlug drei Mal die Stiefelabsätze aneinander wie Dorothy es in Der Zauberer von Oz tut, wenn sie wieder nach Kansas zurückkehren will.
    »Und das ist verdammt noch mal erst der Anfang.« Er setzte sich wieder auf den Tisch, und in seinen unruhig zuckenden Augen, die grün wie Seeglas waren, lag ein irres Leuchten. »Warte, bis du gesehen hast, was ich noch alles kann. Das wird ein absoluter Höllenritt, verlass dich drauf. Und am Ende wirst du mein größter Fan sein. Glaub mir, Bruderherz. Unsere Zeit ist gekommen.«
    Wir standen alle wie erstarrt da und gaben keinen Ton von uns.
    Brodie sah River an. Er schloss einen Moment lang die Augen und öffnete sie dann wieder. »Vergiss nicht, dass ich der Einzige bin, der weiß, wie es sich anfühlt, ein Funkeln in sich zu haben. Oder ein Blitzen.« Er deutete auf Neely. »Dieser halbdebile Idiot hier hat keine Ahnung, wie es ist, und wird es niemals erfahren. Aber ich weiß es. So sieht es aus, Bruder. Wir zwei gegen alle anderen.«
    River stand immer noch reglos und schweigend da.
    Brodie sackte in sich zusammen. »Scheiße, ist das öde mit euch«, sagte er mit seiner trägen, gedehnten Stimme. Der Tonfall war überzeugend, aber seine hängenden Schultern verrieten ihn.
    Ich sah es nämlich in dem Moment ganz deutlich.
    Hinter der schlaksigen Großspurigkeit, dem Messer, dem leuchtenden Rot, der zur Schau gestellten Langeweile und dem Wahnsinn schimmerte ein einsamer, ungewollter kleiner Junge hervor, der mich an Jack erinnerte.
    Und in seinem tiefsten Inneren erkannte ich …
    Wut.
    Eine Wut, die so schwarz war wie der Nachthimmel, so verlassen wie Montana, so bitter wie die Schale einer Zitrone. Heulende, kreischende, rasende Wut.
    Und als ich sie sah und verstand, was sie bedeutete … da kamen mir Zweifel. Nagende Zweifel.
    Vielleicht war Brodie nicht wahnsinnig.
    Vielleicht war er einfach nur wütend. Unfassbar wütend.
    Und das … das war viel schlimmer.
    Im nächsten Augenblick setzte sich Brodie plötzlich wieder aufrecht hin, als wäre ihm etwas eingefallen.
    Er sah mich an.
    Vor meinen Augen tanzten wieder schwarze Punkte.
    »Violet?«, sagte Brodie und ließ sich vom Tisch gleiten. »Komm her.«
    Ich kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Komm her zu mir, Violet. Du wirst mir helfen, River zu überzeugen. Komm. Her. Zu. Mir. Jetzt sofort.«
    Ich sah, wie etwas in seiner Hand aufblitzte. River warf sich noch vor mich, aber es war zu spät, denn im gleichen Moment spürte ich einen scharfen Schmerz an der Wange.
    Und der Albtraum begann.

Achtundzwanzigstes Kapitel
    Wahrscheinlich hatte River seine Gabe schon viele Male bei mir benutzt. Auf jeden Fall natürlich, als er mir Jacks Teufel und meine Mutter zeigte, oder auch, um mich zu beruhigen, nachdem ich den Selbstmord von Daniel Leap hatte mitansehen müssen. Allerdings hatte Rivers Funkeln etwas verführerisch Sanftes. Es pirschte sich wie schimmerndes Zwielicht an mich heran und verschmolz so sehr mit meinem Wesen, dass ich mich danach sehnte, wenn es nicht mehr da war. So wie man am Ende des Tages die Sonne vermisste. Rivers Magie mochte Unheil bringend sein, aber sie fühlte sich … gut an.
    Ganz anders als die von Brodie.
    Die von Brodie drang mit brachialer Gewalt in meinen Kopf ein und grub sich wie Klauen aus Stahl in mein

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