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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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der genügend Sonne abbekam. Sie kochten fantastisch und machten fast alles selbst. Bei ihnen gab es selbst zubereitetes Kokosnusseis, in Olivenöl gebratenen Blumenkohl aus ihrem Garten, Pizza mit selbst hergestelltem Pesto und noch viele andere leckere Dinge. Seit unsere Eltern weg waren, luden die Blacks Luke und mich an Feiertagen immer zum Essen ein. Letztes Weihnachten hatten sie uns sogar Geschenke gemacht. Ich hatte einen langen, selbst gestrickten, gestreiften Schal bekommen, den ich den ganzen Winter über trug, und Luke einen Bildband über italienische Renaissancekünstler, den er sogar gelesen hatte. Es war ein lustiger Abend gewesen. Wir hatten auf engstem Raum in ihrem winzigen Wohnzimmer gesessen und bis Mitternacht Brettspiele gespielt, während uns die Kiefernadeln ihres viel zu großen Weihnachtsbaums pikten. Luke und Sunshine hatten sogar vorübergehend vergessen, miteinander zu flirten.
    Unsere Eltern hatten nur selten gekocht und Geschenke hatte es bei uns fast nie gegeben. Wahrscheinlich fanden sie es besser, ihr Geld für ihre kreativen Bedürfnisse auszugeben, statt es an Geschenke oder an Essen zu verschwenden, das ihre Kinder innerhalb von zwanzig Minuten verschlungen hatten, ohne es wirklich zu schätzen zu wissen.
    Immer wenn ich in dem kleinen Lebensmittelladen einkaufte, fühlte ich mich unglaublich europäisch. Wie Audrey Hepburn in Sabrina , während sie in Paris den Kochkurs macht (der Film war vor ein paar Wochen im Freiluftkino gezeigt worden). River wählte für unser Picknick Ziegenkäse und knuspriges Baguette aus, dazu Oliven, eine Tafel dunkle Schokolade und eine Flasche Mineralwasser mit Kohlensäure. Für sich selbst kaufte er auch noch ein paar Sachen: Bio-Vollmilch, ein weiteres Baguette, glänzende Espressobohnen (die von Giannis Familie selbst geröstet und überall in der Stadt verkauft wurden), Bananen, Tomaten, ein Stück frischen Parmesan, große braune Eier, kalt gepresstes Olivenöl und frische Kräuter und Gewürze.
    Fasziniert beobachtete ich River beim Einkaufen. Wie er den Duft der gerösteten Espressobohnen tief einatmete, bevor er sie in einer in der Ecke aufgestellten Mühle mahlte, wie er den Eierkarton aufklappte und vorsichtig über die braunen Schalen strich, um sich zu vergewissern, dass sie unversehrt waren, bevor er ihn wieder zumachte, wie er – genau wie ich – nicht widerstehen konnte und seine schlanken Finger in den Korb mit den leuchtend violetten und weißen Cranberrys grub. Ich musste auch immer die Hände in die hübschen gesprenkelten Beeren stecken. Immer.
    Kaum zu glauben, dass man so viel über jemanden erfahren kann, wenn man ihn beim Einkaufen beobachtet. Aber so war es. Wenn Luke einkaufte, schleuderte er die Waren förmlich in den Korb, als wären sie ihm irgendwie zuwider. Und Sunshine brauchte immer ewig und bummelte planlos von einem Gang zum nächsten. Sie konnte zwanzig Minuten lang auf einen französischen Käse starren und doch bloß eine Packung Nudeln kaufen, die ihr auf dem Weg zur Kasse zufällig in die Hände fiel. Keiner der beiden hatte je den Duft von Kaffeebohnen eingeatmet, Eier gestreichelt oder die Hände in den Cranberry-Korb gegraben. Nicht ein einziges Mal.
    »Wo hast du so einkaufen gelernt?«, fragte ich River. »Du machst das wirklich gut. Nicht zu zögerlich, aber auch nicht zu hektisch.«
    »Ich war auf einer Kochschule«, antwortete er.
    »Das glaube ich nicht. Du gehst doch bestimmt noch auf die Highschool.«
    »Ach ja?«, gab River zurück.
    Er lächelte sein wunderschönes schiefes, wissendes Lächeln.
    »Na klar.« Ich runzelte die Stirn. »Oder etwa nicht?«
    River schüttelte bloß lachend den Kopf.
    Als wir wieder zu Hause waren, half River mir die Einkäufe zu versorgen. Unsere Küche war schon seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden, geschweige denn, dass irgendwelche neuen Geräte angeschafft worden wären, aber alles funktionierte noch tadellos. Es war ein großer, eher rustikaler Raum mit hoher Decke, safrangelben Wänden, ockerfarbenen Steinfliesen, einem langen, massiven Eichentisch in der Mitte und einem gemütlichen gelben Sofa, das gegenüber den vier Fenstern stand, die von karierten Vorhängen gesäumt wurden und durch die jeden Tag das warme, goldene Licht der Nachmittagssonne fiel. Manchmal schlief ich hier auf dem Sofa. Nachts in der Küche zu liegen, rief tröstliche Erinnerungen in mir wach, zum Beispiel daran, wie ich mit Freddie holländische Weihnachtsplätzchen gebacken

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