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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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jetzt würde ich dich gern etwas fragen«, riss River mich aus meinen Gedanken. Er schüttelte sich die zur Seite gescheitelten Haare aus dem Gesicht und im Sonnenlicht blitzte eine blonde Strähne hervor. »Seit wann ist dein Bruder schon so?«
    Ich zog die Brauen hoch. »Was meinst du?«
    »Die anzüglichen Bemerkungen, seine Unsicherheit, die Trinkerei? Liegt es daran, dass euer Vater weg ist?«
    Ich legte die Bruschetta auf den angeschlagenen weißen Porzellanteller zurück. »Ja und nein. Luke ist schon immer ein bisschen … aggressiv gewesen. Aber er hat auch eine weichere Seite, die zeigt er nur nicht oft. Luke braucht etwas, woran er glauben kann. Das hat jedenfalls meine Großmutter Freddie immer gesagt.«
    »Klingt, als wäre Freddie eine ziemlich scharfsichtige Frau gewesen«, erwiderte River, ohne mich dabei anzusehen. Sein Blick war in die Ferne gerichtet und auf seinem Gesicht lag ein komischer Ausdruck. Mit komisch meine ich nicht belustigt, sondern fast grimmig. Und irgendwie … streng.
    »Sie war … vieles.« Ich zögerte, von seinem seltsamen Verhalten verunsichert. Als er darauf nichts sagte, redete ich einfach weiter. »Seit unsere Eltern nicht mehr da sind, ist es schlimmer mit Luke geworden. Es ist nicht das erste Mal, dass sie uns allein gelassen haben, um durch die Welt zu tingeln und sich ihrer Kunst zu widmen, aber früher war immer Freddie da und hat auf uns aufgepasst. Es ist das erste Mal, seit ihrem Tod, dass sie so lange weg sind. Manchmal habe ich das Gefühl, sie haben vergessen, dass wir eigentlich noch Kinder sind.«
    River sagte nichts, sondern reichte mir stattdessen ein Glas Mineralwasser mit Eis. Ich nahm einen tiefen Schluck und das Wasser schmeckte nach dem salzigen Essen köstlich erfrischend. River schlüpfte aus seinen Segelschuhen. Er trug keine Socken und hatte erstaunlich hübsche Füße für einen Jungen – kräftig und gebräunt, glatt und so wunderschön, dass der Begriff Fuß für sie beinahe zu grob klang. Er gähnte, ließ sich auf das gelbe Sofa fallen, streckte sich und gähnte wieder. Dann beugte er sich vor und griff nach meiner Hand.
    »Ich bin fast die ganze letzte Nacht durchgefahren und sollte vielleicht ein bisschen schlafen, bevor wir später in den Park gehen und uns den Film anschauen.«
    »Wir müssen nicht hingehen, wenn du keine Lust hast.« Ich starrte auf Rivers Finger, die auf meinen lagen. Es war das erste Mal, dass jemand meine Hand hielt. Dass ein Junge meine Hand hielt, meine ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich will unbedingt hin. Casablanca ist wirklich einer meiner Lieblingsfilme. Das habe ich nicht nur gesagt, um deinen Bruder zu ärgern.« Er drückte meine Hand und runzelte dabei leicht die Stirn, als würde er sich konzentrieren. »Musst du noch mal nach Sunshine schauen? Oder glaubst du, du könntest dich zu mir legen und einen kleinen Mittagsschlaf mit mir halten?«

Ich dachte noch nicht einmal darüber nach und gab auch keine Antwort. Ich legte mich einfach wortlos neben River aufs Sofa, schmiegte mich mit dem Rücken an ihn und ließ mich von seinen Armen umfangen. Mit geschlossenen Augen atmete ich seinen warmen Duft ein, der mich an Blätter erinnerte und Herbstluft, an Mitternacht und Tomaten in Olivenöl. Er vergrub das Gesicht in meinen Haaren, und kurz bevor ich einschlief, dachte ich, dass ich River erst einen einzigen verdammten Tag kannte, aber das war mir egal. Das war mir scheißegal.

Siebtes Kapitel
    Als ich aufwachte, schien mir die Sonne auf die Zehen. Beim Einschlafen hatten ihre Strahlen noch meine Fingerspitzen gekitzelt, also musste seitdem einige Zeit vergangen sein. Ich wand mich aus Rivers warmen Armen und stand auf.
    »Wie viel Uhr ist es?«, fragte ich und rieb mir die Augen. »Wir verpassen den Film.«
    Rivers Lider zuckten, dann sah er mich beinahe vorwurfsvoll an. »Warum liegst du nicht mehr bei mir? Komm zurück.« Er klopfte neben sich aufs Sofa.
    Ein Blick auf die alte Küchenuhr über der Anrichte verriet mir, dass es schon sieben war. »Ich muss kurz zu Sunshine rüber und fragen, wie es ihr geht und ob sie mitkommen möchte.« Ich deutete auf die Vitrine neben dem Kühlschrank. »Da drin ist ein Picknickkorb. Hast du vielleicht Lust, ihn zu packen, während ich weg bin?«
    River streckte sich, wackelte in der sich langsam verabschiedenden Sonne mit den Zehen und lächelte. »Violet, Violet. Du schmiegst dich an mich, schläfst und gehst dann einfach, als wäre das zwischen uns nichts

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