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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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weiter als ein One-Afternoon-Stand gewesen.« Er grinste. »Vergiss den Film. Komm wieder zu mir.«
    Ich lachte. »Aber du hast selbst gesagt, dass Casablanca einer deiner Lieblingsfilme ist und du ihn gern sehen würdest.«
    »Wie bitte? Da muss ich schlafgeredet haben. Das ist so etwas wie Schlafwandeln, bloß mit dem Mund.«
    Ich lachte wieder. »Pack den Picknickkorb, ja? Ich bin gleich wieder da.«
    Ich lief zu Sunshine hinüber. Mittlerweile war die Sonne hinter Citizen Kane versunken und das Haus warf seinen langen Schatten auf die verwitterten Brunnenmädchen. Bald würde die Dämmerung einbrechen.
    Die Straße vor dem Haus endete in dichtem Brombeergestrüpp, das an das bewaldete Nachbargrundstück grenzte. Als ich die Einfahrt erreicht hatte, drehte ich mich um und starrte auf die Bäume. Manchmal hatte ich bei Einbruch der Dunkelheit das Gefühl, dass sie ganz langsam und kaum merklich immer näher rückten und ich eines Tages aufschauen und mich und unser Haus mitten im Wald wiederfinden würde.
    Sunshine saß wie immer auf der Veranda und schien wieder ganz die alte zu sein – der Blick schläfrig, die Wangen im rostroten Licht der untergehenden Sonne rosig. Ich verstand nicht, wie sie einfach so dasitzen und nichts tun konnte, während der Tag verblasste. Ich dagegen hatte das künstlerische Temperament meiner Eltern geerbt, und meine Gedanken fingen unweigerlich an, sich im Kreis zu drehen und zu verheddern, wenn sie sich selbst überlassen waren. In Sunshines Kopf musste es anders zugehen. Vielleicht ähnelten ihre Gedanken eher einem träge plätschernden Bach, der an zwitschernden Wiesenlerchen, rosafarbenen Teetassen, sprechenden Eichhörnchen und strohgedeckten Landhäusern entlangfloss.
    Plötzlich beneidete ich sie.
    »Hey«, sagte ich. »Hast du Lust, dir mit River und mir Casablanca anzuschauen? Der Film fängt in einer Stunde an.«
    Sunshine nahm ein halb gegessenes Tomaten-Sandwich von dem Teller zu ihren Füßen und biss davon ab. Die Tomate war gerade erst von der Staude neben der Veranda gepflückt worden. Mir war nämlich aufgefallen, dass eine der großen prallen Früchte fehlte, als ich die Stufen hochgestiegen war.
    »Kommt Luke auch mit?«, fragte sie.
    »Ja, aber mit Maddy. Erwarte also nicht, dass er dir besonders viel Aufmerksamkeit schenkt. Er will bei ihr im Café eine Flasche Wodka mitgehen lassen und hofft mit ihr ›Stufe zwei zu erklimmen‹, was auch immer das heißen soll.«
    Sunshine deutete auf ihre Brüste. »Dass er ihre Möpse streicheln will. Ich glaube, so hat man es früher genannt, als unsere Eltern noch jung waren. Heutzutage sitzt man wohl eher mit nacktem Oberkörper auf einem Dach und trägt sich gegenseitig Gedichte vor.«
    Ich zog die Brauen hoch.
    Sunshine schluckte den nächsten Bissen ihres Sandwichs hinunter und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Violet. Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, was Kids heutzutage so treiben. Ist dir denn noch nicht aufgefallen, dass ich die meiste Zeit damit verbringe, auf der Veranda zu sitzen oder dir und Luke hinterherzurennen?«
    Sie sah mich an und lächelte verhalten. Ich lächelte verhalten zurück. Dann trank sie den letzten Schluck von ihrem Eistee und stellte das Glas auf dem Geländer der Veranda ab. »Erzähl. Was hast du über den Fremden, der in eurem Gästehaus lebt, herausgefunden?«
    »Ich habe ihn nicht aufgefordert, mir seinen Ausweis zu zeigen, weil das im Nachhinein irgendwie albern wäre. Und er ist jemand, der es irgendwie schafft, keine Frage, die man ihm stellt, wirklich zu beantworten, weshalb ich fast noch weniger über ihn weiß als vorher. Willst du ihn immer noch betrunken machen und sein Portemonnaie klauen?«
    Sunshine lehnte sich in der Hollywoodschaukel zurück und musterte mich. Ihr Blick war durchdringend und klar, was bei ihr nicht besonders oft vorkam. »River will nichts von mir. Und das wäre eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung des Plans gewesen.« Sie hielt einen Moment lang inne. »Hast du ihn gefragt, ob er den Typen mit den pelzigen Zähnen auch gesehen hat?«
    Ich nickte.
    »Und?«
    »Er hat nichts gesehen.«
    »Das habe ich mir schon gedacht. Macht nichts. Ich weiß, was ich gesehen habe.« Sie schwieg eine Weile, bevor sie fortfuhr. »Viel Spaß im Kino. Ich bleibe lieber hier. Vielleicht taucht ja ein geheimnisvoller Fremder auf und will in mein Gästehaus ziehen.«
    Als ich zum Haus zurückkam, hatte River den Picknickkorb gepackt und wir schlugen zum dritten

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