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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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geschlossen hätte, meine ich. Das ist tausendmal interessanter, als bloß ein verarmtes blondes Mädchen zu sein, das mit seinem dämlichen Bruder, der mehr Muskel- als Hirnmasse hat, allein in einem riesigen Haus lebt. Sollte ich jemals vom Erdboden verschwinden, Sunshine, dann erzähl bitte allen, dass ich den Teufel jage, um mir meine Seele zurückzuholen.«
    Sunshine betrachtete mich durch halb geschlossene Lider. »Meinetwegen, Vi.«
    River nahm Jack die Mütze vom Kopf und zauste ihm durch die Haare, worauf der widerwillig seine blauen Augen öffnete.
    »Solltest du nicht langsam mal … nach Hause?«, fragte River. »Du warst zwei Nächte verschwunden und hast dich auf einem Friedhof herumgetrieben, es gibt doch bestimmt ein paar Menschen, die sich Sorgen um dich machen, oder?«
    Jack rieb sich ein Auge und gähnte. »Meine Mom hat uns verlassen, als ich noch ein Baby war. Und mein Dad arbeitet. Mich vermisst niemand.« Dann sah er mit ernstem, sommersprossigem Gesicht zu River auf. »Sagst du mir jetzt, wie du es gemacht hast?«
    River stand auf. »Es ist Zeit, dieses Kind nach Hause zu bringen.«
    Ich nickte. River beugte sich zu mir herüber, legte mir eine Hand in den Nacken und näherte sich mit den Lippen meinem Ohr. »Wenn ich zurückkomme, koche ich für dich und beantworte alle deine Fragen«, flüsterte er.
    Dann küsste er mich aufs Ohrläppchen und mein ganzer Körper wurde von einem exotischen, fremden und bittersüßen Prickeln erfasst, das meine Welt für einen Moment aus den Angeln hob. Es machte mich sprachlos, und ich glaube, dass er das wusste.

Dreizehntes Kapitel
    Nachdem River und Jack gefahren waren, verzog Sunshine sich mit Luke in sein Zimmer, und ich setzte mich auf die Vortreppe, um den Nachthimmel zu betrachten und auf River zu warten.
    Ich lauschte den sich an den Felsen brechenden Wellen und dem Rauschen der Kiefernadeln im Wind und versuchte das leise Frösteln zu ignorieren, das mich schon wieder erfasst hatte. Ein in mir wachsendes Misstrauen, das mit Rivers Lügen und dem Teufel zu tun hatte.
    Plötzlich wurden die friedlichen Geräusche der Nacht von gellendem Kreischen übertönt.
    Die Stimme klang nach Sunshine und kam aus der Richtung von Lukes Zimmer.
    Ich überlegte kurz, hochzugehen und ihnen zu sagen, dass sie damit aufhören sollten, bei ihren frivolen Spielen so laut herumzualbern, aber ich hatte keine Lust, mich von meinem Bruder anbrüllen zu lassen.
    Die Minuten verstrichen. Mein Frösteln wurde schlimmer. Das Kreischen auch. Irgendwann stand ich auf und folgte Sunshines Stimme bis zum Zimmer meines Bruder im dritten Stock.
    Ich öffnete die Tür, ohne vorher anzuklopfen. Es war mir vollkommen egal, wobei ich die beiden stören würde, was bloß beweist, wie genervt ich war. »Was ist hier los?«, rief ich laut und klang wie eine blöde Figur in einem blöden Theaterstück.
    Stille. Luke und Sunshine saßen voll bekleidet auf dem Boden.
    »Wir haben ein altes Ouija-Brett auf dem Dachboden gefunden«, sagte Sunshine und strich sich ihre braunen Haare über die Schulter nach vorn. »Dein Bruder versucht mich gerade davon zu überzeugen, dass es in Citizen Kane spukt.«
    Luke verschränkte die Arme und sah mich stirnrunzelnd an. »Und was ist mit Anklopfen? Das gilt wohl bloß für andere, was?« Aber er klang nicht wirklich böse. In seinen grün-braunen Augen lag sogar ein winziges Lächeln.
    Meine Wut verpuffte.
    Lukes Zimmer – das ehemalige Arbeitszimmer unseres Großvaters – sah aus wie einem Gemälde von Edward Hopper entsprungen. In Citizen Kane gab es viele Schlafzimmer (sieben oder acht – ich konnte mir die genau Zahl nie merken), aber Luke fühlte sich hier im Arbeitszimmer am wohlsten. Wahrscheinlich lag das daran, dass es mit seiner Holzvertäfelung, den schweren Bücherregalen, der schwarzen Art-déco-Ledercouch und dem leichten Zigarrengeruch, der immer noch in den Wänden haftete, so viel Männlichkeit verströmte. Als Luke fünfzehn geworden war, hatten er und Dad Großvaters riesigen Schreibtisch auf den Speicher getragen und stattdessen ein Bett hineingestellt.
    Ich setzte mich zwischen Sunshine und Luke auf den grünen Perserteppich, lehnte mich an das unterste Regalfach, in dem die ledergebundene Gesamtausgabe von Dickens stand (von der Luke mit Sicherheit noch keinen einzigen Band aufgeschlagen hatte), und schaute auf das Holzbrett, auf dem mit schwarzer Farbe die Buchstaben des Alphabets aufgedruckt waren. »Wo auf dem Dachboden habt ihr

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