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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Tanz durch den Raum und erreichten das Bett.
    River zog das Hemd aus, behielt das um seinen Hals geknotete rote Tuch aber an. Dann hob er mir die Perlenkette über den Kopf und legte sie auf die Kommode, löste sanft die Klammern aus meinen Haaren, sodass sie mir wieder über die Schultern fielen, und öffnete den Reißverschluss meines Kleids, unter dem ich nichts als ein Höschen trug. Als der Stoff raschelnd zu Boden glitt und ich zitternd im Mondlicht stand, das durchs Fenster fiel, betrachtete River mich einen Moment lang. Zwei Atemzüge später lag ich in seinen Armen.
    Ich wusste nicht, was als Nächstes passieren würde, und es kümmerte mich auch nicht wirklich. River schlüpfte mit mir unter die Decke, hauchte Küsse auf meinen nackten Rücken und flüsterte »Gute Nacht« in mein Ohr.
    Innerhalb von Sekunden war er eingeschlafen.
    Ich nicht.

Fünfzehntes Kapitel
    Ein paar Stunden später wachte ich auf. Die Morgendämmerung war nur einen Wimpernschlag entfernt, aber noch leuchtete der Mond mit voller Kraft, und mein fast nackter Körper war nach wie vor an River West geschmiegt.
    Er hatte mich während der Nacht keine einzige Sekunde losgelassen, schlief eng an meinen Rücken gepresst, die Lippen an meiner Schulter. Ich lag da, ohne mich zu rühren, und dachte nach.
    Darüber, dass die Welt voller Geheimnisse, Magie, Grauen und Liebe war und dass River mir eine Heidenangst machte, weil ich glaubte, dass er das Böse in sich trug.
    Er konnte mit seinem Funkeln grauenvolle Dinge anrichten. Wahrscheinlich hatte er schon grauenvolle Dinge angerichtet. Grauenvollere Dinge, als Sunshine zu erschrecken oder kleinen Kindern Angst einzujagen.
    Während ich so dalag und der Brandung lauschte, kam mir plötzlich ein Gedanke. River brachte Menschen dazu, Monster zu sehen. Und Mütter, die nicht da waren. Was noch? Was konnte er Menschen noch sehen lassen?
    Oder fühlen?
    Ich wollte nicht darüber nachdenken.
    Hätte ich es getan, hätte ich mir vielleicht eingestehen müssen, dass River etwas … Schlimmeres war als ein Lügner. Etwas viel Schlimmeres.
    Und dass ich eine Närrin war.
    Ich löste mich vorsichtig aus seiner Umarmung, rutschte vom Bett, zog geräuschlos mein Kleid an und huschte aus dem Gästehaus. Kalte Nachtluft schlug mir entgegen. Fröstelnd lief ich am Gewächshaus, am Tennisplatz und am Schuppen vorbei und schlüpfte durch den Hintereingang ins Haus.
    Drinnen war es nicht viel wärmer, weil ich die Küchenfenster offen gelassen hatte. Barfuß rannte ich die eisigen Marmorstufen in den zweiten Stock hinauf und in Freddies Zimmer. Mein Zimmer.
    Luke saß am Fußende meines Betts.
    Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und den Kopf in die Hände gelegt. Die altersschwache Glühbirne in der Nachttischlampe, die er angemacht hatte, spendete nur spärliches Licht. Sein Kopf ruckte Richtung Tür, als ich hereinkam.
    »Wo bist du gewesen? Verdammt, Vi. Ich warte hier schon seit Stunden auf dich.«
    Ich griff nach der Wolldecke, die über einem der Sessel hing, und legte sie mir um die Schultern. »Ich war bei River drüben, aber das hast du dir wahrscheinlich schon gedacht. Wieso, was ist los?«
    Ich setzte mich neben ihn aufs Bett und warf das andere Ende der Decke über seine nackten Füße. Luke wandte mir den Kopf zu, und erst jetzt sah ich in seinen weit aufgerissenen Augen, dass er Angst hatte. Panische Angst.
    » Haltet im Mondlicht Ausschau nach mir . Das hat sie gesagt. Und genau so war es. Sie ist gekommen.«
    »Wer? True?« Ich bekam plötzlich eine Gänsehaut, und wie so oft, wenn ich mich fürchtete, begann meine Kopfhaut zu kribbeln.
    »True.« Luke schauderte. »Im einen Moment strömte nichts als Mondlicht durchs Fenster und im nächsten stand sie plötzlich vor mir. Ein ungefähr zehnjähriges Mädchen mit langen Haaren, deren Körper so durchscheinend wie das Licht des Mondes war. Sie lächelte mich an, und ich glaube, dass ich geschrien hab, aber dann …« Luke schluckte, bevor er hastig und mit heiserer Stimme weitersprach. »Dann war sie auf einmal bei mir und strich mir mit ihren Mondlichtfingern über die Wange und ich konnte nicht mehr schreien. Ich konnte sie nur noch anstarren, und großer Gott, Vi … ihre Augen leuchteten nicht wie der Mond, sondern wie die finsterste Nacht. Es war überhaupt kein Weiß darin, nur tiefste Schwärze, und sie legte eine Hand auf meinen Mund, und es fühlte sich an, als würde sie meine Kehle mit Mondlicht füllen, mit so viel Mondlicht,

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