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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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sie wieder auf seine warme Brust. »Lass sie einen Moment hier liegen.«
    Und dann zog er mich an sich und bedeckte mich mit Küssen. Meinen Hals, meine Wangen, den Mund. Ich spürte, wie sich sein Herzschlag unter meiner Berührung beschleunigte und seine Haut immer wärmer wurde.
    »Spürt du das?«, flüsterte er an meinem Ohr. »Wenn ich dich küsse, passiert etwas mit mir. Und genau so ist es, wenn ich funkele. Mein Herz schlägt schneller und mein ganzer Körper wird warm. Und das kann eigentlich nur eines bedeuten – dass ich noch etwas gefunden habe, nach dem ich süchtig werden könnte.«
    Er lehnte sich ein Stück zurück, als würde er wollen, dass ich ihn ansah und in seinem Gesicht die Wahrheit las. Aber es gab nichts preis. Der Ausdruck in seinen Augen wirkte aufrichtig, doch um seinen Mund lag gleichzeitig wie immer der leicht spöttische Zug, und wieder war ich genauso schlau wie vorher.
    »Wie machst du das?«, fragte ich. »Denkst du einfach an ein Monster und bringst die anderen dadurch dazu, es zu sehen?«
    »So ungefähr.«
    Ich dachte darüber nach. »Aber warum?«
    »Weil ich es kann.« Er schwieg einen Augenblick und sein Gesicht war so unbewegt wie das Meer nach einem Sturm. »Und vielleicht auch, weil ich nicht anders kann.«
    »Heißt das, du hast den Kindern auf dem Friedhof und Isobel und auch Sunshine nur deswegen Angst eingejagt, weil du es kannst ? Weil sich das Funkeln so gut anfühlt wie küssen? Oder weil du wirklich richtig süchtig danach bist wie nach einer Droge? Wie nach Zigaretten oder nach Opium oder Alkohol? Warum hast du es getan?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Weil es sich gut anfühlt und weil ich süchtig danach bin. Ich weiß nicht. Es ist kompliziert.« Auf einmal kam wieder Leben in sein Gesicht, und er grinste mich so schelmisch und unbeschwert an wie ein Kind, das auf einer Blumenwiese unter blauem Himmel sitzt und einen Streich ausheckt. »Ich möchte dich nicht mit Details langweilen. Jedenfalls jetzt noch nicht. Dazu bin ich zu satt, zu glücklich, zu müde und zu … heiß auf dich. Leg dich mit mir ins Bett, Vi.«
    Ich sah ihn nicht an, sondern blickte auf einen Riss in seiner Hose, durch den die gebräunte Haut seines Schenkels schimmerte.
    Monster.
    Fremder.
    Gott.
    Das waren die Worte, die mir durch den Kopf gingen, während ich über das nachdachte, was River gesagt hatte. Und mit Gott meine ich Gottheit wie die Götter aus der Mythologie der Antike. Vielleicht war es das, was River war.
    »Hast du deine Gabe auch noch bei jemand anderem benutzt?«, fragte ich schließlich. »Außer bei Sunshine und bei Jack und seinen Freunden? Hast du Luke dazu gebracht, etwas zu sehen?«
    »Nein. Bei ihm warte ich noch auf eine gute Gelegenheit.«
    »Und wen hast du sonst etwas sehen lassen? Ich meine, bevor du nach Echo gekommen bist?«
    »Alle möglichen Leute.«
    Ich zuckte zusammen. »Wie viele? Wie viele Menschen waren es, River?«
    »Hunderte? Tausende?«
    »Oh.« Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen – viel schneller noch als während des Kusses mit River. So schnell, wie wenn man einen Albtraum hat. So schnell, wie wenn man um sein Leben rennt.
    »Aber dich nicht«, sagte er, als würde er meine Gedanken lesen.
    Ich sah ihn entsetzt an. »Kannst du etwa Gedanken lesen, River? Wenn du nämlich in meinen Kopf eindringen kannst, um mich Monster sehen zu lassen, dann würde es mich nicht wundern, wenn …«
    »Nein, Violet«, unterbrach er mich. »Ich kann keine Gedanken lesen. Jedenfalls nicht so richtig . Manchmal dringen winzige Gedankenfetzen zu mir durch, aber das passiert nur ganz selten. Bei Kindern wie Jack kommt das gelegentlich vor. Aber nicht bei Erwachsenen.«
    »Kannst du nur Monster heraufbeschwören? Kannst du die Leute mit deinem Funkeln bloß Monster sehen lassen?«
    River schüttelte den Kopf. Dann legte er die Fingerspitzen in die Kuhle an meinem Hals, wo der Puls schlägt. Ich holte tief Luft, wartete und dann … ganz allmählich verschwand River, und an der Stelle, wo er gestanden hatte, erschien auf einmal meine Mutter so klar und deutlich wie der helle Tag.
    Mir traten unwillkürlich die Tränen in die Augen. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Ich wusste, dass sie nicht real war, aber meine Augen wussten es nicht. Sie stand mit ihrer makellosen Haut, ihren langen glatten Haaren und ihrem etwas zu breiten Lächeln direkt vor mir und sah genauso aufgeregt und gestresst aus wie in dem Moment, als sie mit Dad zum Flughafen aufgebrochen war,

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