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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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damit?«
    River griff nach meiner Hand und legte sie auf sein Herz, worauf ich sofort verstummte, weil ich spürte, wie es heiß und kraftvoll schlug, und mich unerklärlicherweise schlagartig besser fühlte.
    »Hier, ich zeige es dir.« Er presste meine Hand weiter auf sein Herz und blickte mir fest in die Augen.
    Und dann sah ich ihn.
    Den Teufel, von dem Jack gesprochen hatte.
    Er stand hinter River, schälte sich riesenhaft aus dem Dunkel heraus, mit rot glühenden, durchdringend starrenden Augen in einem blassen Gesicht. Er war dünn. Viel, viel zu dünn. Nichts als Knochen und Schatten unter einem spitzen schwarzen Hut. Und aus jeder Pore verströmte er wie ein starkes Parfum das pure Böse. Ich wollte zurückweichen, war aber wie gelähmt. Der Dämon beugte sich über River, sein großer, weißer Kragen streifte Rivers Ohr, er fletschte die Zähne, näherte sich langsam seinem Gesicht …
    Ich schrie.
    River blieb währenddessen seelenruhig stehen und zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Kurz darauf begann sich der Teufel langsam aufzulösen, bis er schließlich verschwunden war und ich nur noch in die Dunkelheit der Küche starrte.
    »Auf die Idee mit dem Teufel hast übrigens du mich gebracht«, erklärte River gelassen, beinahe fröhlich. »Als ich mit dem Auto vor dem Haus hielt, saßt du auf der Treppe und hast die Kurzgeschichten von Hawthorne gelesen. Ich kenne sie. Eine davon heißt Der junge Nachbar Brown und handelt von einem Mann, der im Wald dem Teufel begegnet. Tolle Story.«
    »Natürlich! Die typische Tracht der Puritaner. Das war es, was Jack gemeint hat.« Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob ich das nicht nur gedacht hatte, weil es in meinem Kopf so laut dröhnte, dass ich nicht hören konnte, ob mir die Worte tatsächlich über die Lippen gekommen waren.
    River nickte. »Ursprünglich hatte ich die Idee, dass mein Teufel im biblischen Sinn ›in Sünde gekleidet‹ sein sollte, aber dann fiel mir ein, dass Kinder wahrscheinlich gar keine Vorstellung davon haben, wie die Sünde aussieht. Deswegen habe ich ihm den klassischen Look der Puritaner aus Der Scharlachrote Buchstabe verpasst und ihn außerdem mit dem Schlangenstab ausgestattet, der in der Kurzgeschichte von Hawthorne vorkommt. Die roten Augen habe ich mir selbst ausgedacht. Ich fand, dass die das Ganze irgendwie realer machen.« Er ließ die Worte kurz auf mich wirken, bevor er weitersprach. »Und was Blue angeht … da habe ich mich auch von dir und der Geschichte inspirieren lassen, die du uns erzählt hast, als wir vor dem Tunnel standen. Ich musste natürlich ein bisschen improvisieren, weil ich keine Ahnung hatte, wie so ein rattenfressender Verrückter, der in einem Tunnel haust, aussieht. Deswegen bin ich auf die pelzigen Zähne gekommen. Ich muss sagen, dass ich ziemlich stolz auf den Einfall bin. Die haben ihm den letzten Schliff gegeben, findest du nicht?«
    Ich stieß River von mir und wich am ganzen Körper zitternd zurück. Vor meinen Augen flirrten schwarze Punkte. Ich dachte daran zurück, wie Sunshine aufgeschrien hatte und dann ohnmächtig geworden war. Jetzt wusste ich, wie sie sich gefühlt hatte. Sie hatte Angst gehabt. Beißende, kratzende, heulende, kreischende, brennend heiße Angst.
    »Was bist du? Verdammt noch mal, was bist du, River?« Kopfschüttelnd bewegte ich mich rückwärts Richtung Tür und widerstand dem Drang zu rennen, weil das albern ausgesehen hätte und ich trotz allem nicht wollte, dass River mich lächerlich fand.
    Er zuckte mit den Schultern. »Ein Monster? Ein Heiliger? Keins von beidem? Irgendetwas dazwischen? Ich habe lange und gründlich darüber nachgedacht, und das Einzige, was ich dazu sagen kann, ist … Ich bin ich: River. Ich kann Menschen Dinge sehen lassen, seit ich vierzehn bin, und habe nicht den blassesten Schimmer, warum das so ist. Ich weiß nur, dass ich nicht böse bin.« Er zögerte. »Ob das umgekehrt bedeutet, dass ich gut bin … keine Ahnung. Ich bin einfach ich. Und es macht mich glücklich, meine Gabe – das Funkeln – zu benutzen. Das ist wie eine Art … Rausch. Eine Droge.«
    Sein Blick wanderte wieder zum Fenster, vor dem das Meer in der Dunkelheit toste. »Eine Droge, nach der ich wohl süchtig geworden bin«, fügte er so leise hinzu, als wollte er nicht, dass ich es hörte. Er sah mich wieder an. »Bitte, Violet. Leg noch einmal deine Hand auf mein Herz.«
    Er kam auf mich zu, blieb vor mir stehen, griff nach meiner zitternden Hand und legte

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