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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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in Nichts auf, wie einem ein Schluck kaltes Wasser an einem brütend heißen Tag die Kehle hinabrinnt.
    »Nur weil du ihm die Rasierklinge nicht eigenhändig über die Kehle gezogen hast, bedeutet es nicht, dass es nicht trotzdem Mord war, River.«
    Er hielt weiter meine Hand. Als ich erneut versuchte, sie wegzuziehen – allerdings nur halbherzig, wie ich zugeben muss –, umklammerte er sie noch ein bisschen fester.
    Ich spürte tief in mich hinein. Suchte nach meiner Wut, aber sie war tatsächlich ganz verschwunden. Rivers Hand war warm und fühlte sich so angenehm an, dass ich aufhörte, mich zu wehren.
    »Mach dir keine Sorgen, Vi. Mir kann nichts passieren. Das ist das Tolle, wenn man eine Fähigkeit besitzt, die niemand sonst hat. Es würde sowieso niemand glauben, dass ich etwas damit zu tun habe. Also kann ich nicht erwischt werden.«
    »Davon rede ich nicht, verdammt noch mal.« Diesmal riss ich mich wirklich von ihm los und sprang auf. »Es geht nicht darum, ob du erwischt wirst, sondern darum, dass du einen Mord begangen hast. Einen Mord. Begreifst du denn nicht, dass das, was du getan hast, falsch war? Daniel Leap hat getrunken, er hat mich öffentlich beschimpft und sich nicht um seinen Sohn gekümmert, aber er war auch eine bedauernswerte, verlorene, traurige Seele. Solche Menschen bringt man nicht einfach so um, River. Man bringt niemanden um. Im Gegenteil. Man bringt ihnen verdammt noch mal Mitgefühl entgegen.«
    Gut so, Vi. Sei wütend. Er hat es nicht anders verdient. Vielleicht will er es sogar. Wisch ihm sein gelassenes Grinsen aus dem Gesicht …
    River zuckte mit den Achseln. »Mitgefühl ist reine Zeitverschwendung. Außerdem, was heißt hier schon Mord? Versuch das Ganze doch mal von der moralischen und philosophischen Seite zu betrachten, Vi. Was für ein Mensch wäre ich, wenn ich zugelassen hätte, dass Daniel Leap weiterlebt? So wie er dich neulich im Park beschimpft hat – das war einfach unmöglich. Und seinen Sohn hat er auch unglücklich gemacht. Man könnte auch damit argumentieren, dass Leap sterben wollte . Warum hätte er sonst so viel getrunken? Und ich konnte ihm dabei behilflich sein, seinen Wunsch zu erfüllen. Ganz einfach. Manche Menschen verdienen es nicht zu leben. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter – manche Menschen müssen sterben. Warum bin ich mit dieser Gabe geboren worden, wenn ich sie nicht dazu nutze, die Welt ein bisschen zu verbessern? Das mit den Monstern mache ich aus Spaß, weil ich gern das Funkeln in mir spüre. Aber das mit Jacks Vater – das war kein Spaß. Das habe ich für Jack getan. Und für dich. Ich gebe zu, es war eine ziemliche Sauerei und alles andere als perfekt durchgeführt. Aber dafür seid ihr beide jetzt besser dran.« Er hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte herzhaft. Die Unterhaltung langweilte ihn offensichtlich. »Das musst selbst du zugeben, Vi.«
    Ich stand vor ihm und rang nach Worten. »Gar nichts muss ich«, sagte ich schließlich, wobei das, was River gesagt hatte, tatsächlich … nicht ganz von der Hand zu weisen war. Es klang zumindest logisch. Und trotzdem wehrte sich etwas in mir gegen seine Argumentation und erkannte ganz deutlich, dass seine Sichtweise … falsch war.
    Oder etwa nicht?
    River legte mir beide Hände um die Taille und zog mich an sich. »Ich bereue es nicht, Violet. Mir macht nur ein bisschen Sorgen, dass es mir zunehmend schwerer fällt, die Folgen vorauszusehen, die es hat, wenn ich meine Gabe benutze. Noch vor ein paar Monaten konnte ich das ziemlich gut. Aber in letzter Zeit ist der Drang, das Funkeln zu spüren, irgendwie stärker geworden, und wenn ich ihm nachgebe, läuft es oft nicht so, wie ich es geplant habe.«
    »Warte, warte, warte … Du konntest die Folgen voraussehen und jetzt kannst du es nicht mehr? Verdammt noch mal, was soll das heißen?« Ich versuchte mich aus Rivers Armen zu winden, tat es aber wieder nur so halbherzig, dass ich es auch genauso gut hätte sein lassen können.
    »Nichts weiter. Ich habe nur das Gefühl, dass ich ein bisschen die Kontrolle darüber verloren habe. Es ist so, als hätte meine Gabe einen eigenen Willen entwickelt und würde jetzt über mich bestimmen, statt umgekehrt. Das ist irgendwie ungewohnt, aber mit Sicherheit nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste.«
    Ich gab es auf, mich aus seiner Umarmung zu befreien, und fühlte mich plötzlich besser. Wahrscheinlich hatte River recht. Es gab einfach Menschen, die es tatsächlich

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