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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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noch nicht einmal annähernd hoch genug war. Auf einmal wirkte das düstere Zimmer mit dem Satinüberwurf, der auf dem riesigen Bett lag, und den sechs von schweren Vorhängen verhüllten Fenstern erdrückend auf mich.
    »Es tut mir leid, Jack«, sagte ich schließlich. »Ich werde dafür sorgen, dass River aus unserem Gästehaus auszieht und von hier verschwindet. Versprochen.«
    Noch während ich die Worte aussprach, wusste ich, dass sie gelogen waren.
    Ich würde nichts dergleichen tun.
    »Ich glaube, River hat das gemacht, um mich zu beschützen«, antwortete Jack leise.
    »Das rechtfertigt nicht, was er getan hat«, gab ich heftig zurück, legte dann aber eine Hand auf seine knochige Schulter und fragte sanft: »Was hat River dir über seine … seine Gabe erzählt? Über das Funkeln?«
    Jack zuckte mit den Achseln. »Nicht viel. Bloß dass er andere Leute dazu bringen kann, Dinge zu sehen, Monster und so etwas. Aber ich glaube, er kann noch mehr.« Jack sah mich an. »River ist ein Lügner.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich weiß.«
    Jack begann seinen Rucksack auszupacken. Er hatte so viele Sachen mit, dass ich den Verdacht hatte, er hoffte, nie wieder zu sich nach Hause zurückkehren zu müssen. Ehrlich gesagt, hoffte ich auch, dass er nicht zurückmusste. Ich half ihm, alles einzuräumen, und ging zwischendurch in mein Badezimmer, um ihm eine Tube Zahnpasta, eine Zahnbürste und andere Waschsachen zu holen. Zuletzt zog er ein gerahmtes Ölbild hervor, das vielleicht zweiundzwanzig mal zweiundzwanzig Zentimeter groß war.
    »Das ist von meinem Großvater.« Er lehnte es auf dem Nachttisch an die Wand. »Die anderen Bilder hat mein Dad verkauft, weil er lieber den ganzen Tag betrunken war, statt zu arbeiten. Aber das hier hab ich gerettet.«
    Es war das Selbstporträt eines Malers, der sich vor einer Leinwand dargestellt hatte – mit Pinsel in der erhobenen Hand und einer blonden Frau, die zu seiner Rechten auf einer Couch lag.
    Der Maler erinnerte mich an jemanden. Vielleicht an Daniel Leap in nüchternem Zustand.
    Vielleicht auch nicht.
    Und die Frau auf der Couch war das Ebenbild von Freddie.
    Ich deckte Jack zu, ging in die Küche hinunter und wartete auf River.

Achtzehntes Kapitel
    Luke kam als Erster nach Hause.
    » Daniel Leap «, stöhnte er und warf sich neben mich auf die Couch. Staub wirbelte auf und tanzte in den letzten Sonnenstrahlen, die durch das Küchenfenster fielen. » Verdammt ! Und du hast das Gemetzel vom Fenster der Pizzeria aus mitansehen müssen. Wie geht es dir, Schwester?«
    Ich schüttelte bloß stumm den Kopf. Luke wusste noch nicht einmal die Hälfte von dem, was vor sich ging.
    Er seufzte. »So lange ich denken kann, ist er betrunken durch unsere Stadt getorkelt. Und ich hab ihn dafür gehasst, wie er uns immer angeschrien und angepöbelt hat … aber trotzdem hat er irgendwie zu Echo gehört. Er war fast so eine Art lokale Sehenswürdigkeit.« Luke lehnte sich ins Polster zurück und verschränkte die Arme. »Was ihn wohl dazu gebracht hat, jetzt komplett den Verstand zu verlieren?«
    »Er war Jacks Vater«, flüsterte ich. »Daniel Leap war Jacks Vater . River und ich waren heute Morgen bei ihm zu Hause und …«
    Luke richtete sich entsetzt auf. » Scheiße. «
    »Das kannst du laut sagen.« Ich zögerte. »Ich war vorhin bei Jack und habe ihn geholt und mit zu uns genommen. Er schläft jetzt im grünen Gästezimmer. Was hätte ich machen sollen? Ich konnte ihn doch nicht einfach allein zu Hause lassen, bis jemand vom Jugendamt auftaucht und ihn in irgendein verdammtes Heim steckt.«
    Luke beugte sich plötzlich zu mir rüber und umarmte mich. Im ersten Moment war ich stocksteif vor Überraschung, aber dann entspannte ich mich.
    »Unser Vater ist auch ein Arschloch«, sagte Luke, als er mich wieder losließ. »Haut einfach nach Europa ab und ruft nie an, geschweige denn, dass er mal eine Postkarte schreiben würde. Aber wenigstens hat er sich nicht vor den Augen der halben Stadt die Kehle aufgeschlitzt.« Er seufzte und ließ die Schultern hängen.
    Ich lächelte traurig.
    Luke erwiderte mein Lächeln, und sein Gesichtsausdruck hatte so wenig mit seinem üblichen arroganten Grinsen zu tun, dass er mir beinahe fremd vorkam.
    Nach einer Weile stand er auf, ging zum Kühlschrank, holte die Kanne mit dem Eistee heraus, schenkte jedem von uns ein Glas ein, gab Eiswürfel dazu und kam zur Couch zurück. »Was ist in letzter Zeit nur los? Teufelserscheinungen, Kinder, die auf Friedhöfen

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