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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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verdienten zu sterben. Und eine etwas außer Kontrolle geratene Gabe war wirklich nichts, worüber man sich groß Gedanken machen musste.
    »Weißt du, was schön ist, Violet? Wenn ich dir so nah bin, kann ich Bruchstücke deiner Gedanken aufschnappen. Ich weiß zum Beispiel, dass du Rote Beete widerlich findest. Denkst du an Rote Beete, legt sich sofort ein hässlicher brauner Schleier um den Gedanken. Das habe ich neulich gesehen, als ich im Laden eine in die Hand genommen habe. Unnötig zu sagen, dass ich sie sofort wieder zurücklegt habe. Bei Tomaten dagegen bekommen deine Gedanken einen hübschen Rosaschimmer.«
    Ich legte instinktiv die Hände an die Schläfen, als könnte ich River auf diese Weise davon abhalten, in meinen Gedanken herumzustöbern. Aber dann kam ich mir albern vor und ließ sie wieder sinken.
    »Was weißt du noch über mich?«, fragte ich.
    »Dass du mich magst, obwohl du mich eigentlich nicht mögen willst.« Als River lächelte, schmolz etwas in mir wie Schokolade am Gaumen oder Eis in der Sonne.
    Gleichzeitig hatte ich das Bedürfnis, ihm mit einem Backstein seinen hübschen Mund blutig zu schlagen, bis sein Hemd genauso besudelt war wie das von Daniel Leap.
    »Vi, du hättest die schwarze Wolke sehen sollen, die sich heute Morgen in deinem Kopf zusammengebraut hat, als du an diesen Leap gedacht hast. Wow. Und ich dachte, du würdest Rote Beete hassen. Aber das war etwas ganz anderes. In deiner Vorstellung wurde der Bastard von einem schwarzen Loch verschluckt. Von einem Höllenschlund .«
    »Es ist eine Sache, sich zu wünschen, jemand wäre tot, aber eine völlig andere, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen, River.«
    Ich fragte mich, ob das für ihn überhaupt einen Unterschied machte. Oder ob er mit seinem Gerede über Moral und Gerechtigkeit womöglich versuchte, etwas zu rechtfertigen, worüber er keine Kontrolle mehr hatte.
    Plötzlich fiel mir wieder ein, was Gianni über die arme rothaarige Frau gesagt hatte, die als Hexe verbrannt worden war. Nach dem schrecklichen Vorfall im Park hatte ich gar nicht mehr daran gedacht.
    »Wo warst du an dem Tag, an dem du wegfahren bist, River?«
    Er zuckte mit den Achseln, schob mein Seidentop ein Stückchen hoch und begann meinen Bauch zu küssen. Auf seinen Händen waren immer noch getrocknete Farbkleckse zu sehen.
    »Bist du … warst du in Jerusalem Rock?« Konzentrier dich, Violet. Wenn du zulässt, dass er deine Wut besänftigt, bist du nicht besser als er.
    River hauchte weiter Küsse auf meinen Bauch. »Jerusalem Rock?«
    »Die kleine Stadt, von der Gianni vorhin erzählt hat. Die, wo sie die Frau verbrannt haben. Das warst du, hab ich recht?« Meine Stimme klang vorwurfsvoll, aber ich empfand keine Empörung. Ich spürte nur Rivers zarte Küsse, die sich auf meiner Haut anfühlten wie eine kühle Brise an einem heißen Tag.
    »Ich.« Kuss. »Habe.« Kuss. »Keine Ahnung.« Kuss. »Wovon du.« Kuss. »Sprichst.« Kuss.
    »Dann bist du also nicht in Jerusalem Rock gewesen?« Es fiel mir immer schwerer, mich zu konzentrieren. Rivers Küsse waren so … Ich fühlte mich so gut, war so unendlich entspannt, so glücklich. »Wo bist du dann hingefahren?«
    »Woanders hin. Ich musste einfach für eine Weile weg. Ich bin Richtung Süden gefahren. Wo ich genau war, weiß ich nicht mehr.«
    »Und das soll ich dir glauben, River? Ich gebe zu, dass ich es auch faszinierend finde, dass du so geheimnisvoll bist, aber ich möchte trotzdem … Ich will wissen, ob …« Konzentrier dich. »Hast du … hast du jemals …« Verdammt. »Hast du vorher schon mal jemanden getötet? Ich meine, hast du auch schon andere dazu gebracht, sich umzubringen, außer Daniel Leap?«
    »Ja«, murmelte River an meiner Haut.
    »Wie viele?«
    River drehte mich um und begann meinen Rücken zu küssen. »Viele, Vi.«
    Ich schloss die Augen. »Wie viele sind viele?«
    »Ich weiß es nicht. Jeder, der es verdient hatte, zu sterben. Vielleicht zwölf. Vielleicht mehr. Darüber müsste ich erst mal nachdenken. Ich habe die Gabe schließlich schon seit vier Jahren.«
    »Dann … dann weißt du noch nicht einmal, wie viele Menschen du getötet hast?«
    River stand auf, strich mit den Handflächen langsam über meinen Rücken und vergrub sein Gesicht in meinem Nacken. »Nein, das weiß ich nicht«, antwortete er. »Geschehen ist geschehen. Ich zerbreche mir anschließend nicht mehr den Kopf darüber.«
    Er zeichnete mit den Lippen den Schwung meines Kiefers nach. Seine Haare

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