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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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dufteten nach Sand und Salz, als wäre er schwimmen gewesen. Vielleicht dufteten meine genauso. So ist das, wenn man am Meer lebte.
    Jetzt küssten wir uns. Innig und lange. Und wie bei unserem ersten Kuss auf dem Friedhof, spürte ich Rivers Energie durch mich hindurchfließen wie Wasser, das einen Berg hinunterfließt. Wie die Zeit, die an einem Sommertag vorbeifließt. Wie Blut, das aus einer aufgeschlitzten Kehle fließt.
    »River, benutzt du deine Gabe an mir?«, fragte ich.
    »Vielleicht … Würde dich das stören?«
    Nein. Und wenn doch, würde es mir erst später klar werden.
    »Ist mir egal«, flüsterte ich und verschloss seine Lippen mit meinen.

Neunzehntes Kapitel
    »Als ich aufwachte und blinzelnd die Augen öffnete, ragte eine verschwommene männliche Silhouette über mir auf, die in dem durchs Fenster strömenden gleißenden Sonnenlicht wie ein goldener Renaissance-Engel aussah. Ich schloss die Augen wieder. Ich lag in Rivers Bett im Gästehaus.
    »Kannst du nicht anklopfen?«, fragte ich matt und legte den Unterarm über die Augen. Ich fühlte mich benommen und schwer.
    Im nächsten Moment schlug ich trotzdem gähnend die Decke zurück und stand auf. Für einen kurzen Augenblick durchzuckte mich Panik, weil ich dachte, ich wäre nackt, aber dann stellte ich erleichtert fest, dass ich immer noch das schwarze Top und den schwarzen Rock anhatte. Ich drehte mich zu meinem Bruder um.
    Nur dass es nicht Luke war, der neben dem Bett stand.
    Sondern ein Fremder.
    Er war jung. Ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein Jahr jünger. Außerdem war er groß und blond, noch blonder als ich, wobei seine Haare nicht nach holländischer Großmutter aussahen, sondern als wären sie von der Sonne ausgebleicht. Auf seiner rechten Wange prangte ein faustgroßer, verblassender violetter Bluterguss und seine ansonsten perfekt geformte Nase wirkte leicht schief, als hätte er sie sich mal gebrochen.
    »Hey.« Der fremde Junge grinste mich an. »Tut mit leid, dass ich einfach so hier reinplatze … Ich wollte zu …«, er deutete auf River, »meinem Bruder.«
    River setzte sich langsam im Bett auf, streckte sich und kratzte sich am Kopf. »Hey, Neely. Netten blauen Fleck hast du da im Gesicht. Wie hast du mich diesmal gefunden?«
    Statt zu antworten, warf der Junge, den er Neely genannt hatte, eine Zeitung aufs Bett. »Es steht auf allen Titelseiten, du Idiot. Kinder, die mit Pflöcken bewaffnet auf einem Friedhof herumlaufen …« Er warf eine zweite Zeitung aufs Bett. »Und gestern Abend hat sich ein Mann hier im Park die Kehle aufgeschlitzt. Gute Arbeit, River. Und so subtil.«
    Er warf eine dritte Zeitung aufs Bett. Die anderen beiden waren Ausgaben der Lokalzeitung aus Echo gewesen, diese war die Jerusalem Rock Review.
    Schweigen.
    Ich strich mein Oberteil glatt, während meine Gedanken sich überschlugen.
    Neely war Rivers Bruder.
    Dabei hatte River doch behauptet, er hätte keine Geschwister.
    Stimmte überhaupt irgendetwas von dem, was er erzählte?
    Als ich bemerkte, dass die beiden mich ansahen, atmete ich tief durch. Wenn ich mich nicht schleunigst beruhigte, würde ich knallrot anlaufen, und man könnte mir sämtliche Gefühlsregungen vom Gesicht ablesen.
    »Das ist Violet«, stellte River mich vor. »Sie lebt mit ihrem Bruder Luke in dem großen Haus. Aber ich schätze mal, das weißt du schon.«
    Neely grinste mich wieder an, und ich stellte fest, dass sein Lächeln genauso schief war wie das von River. Es war seltsam, es auf dem Gesicht eines Fremden zu sehen. Und obwohl Neelys Augen blau waren und nicht braun wie die seines Bruders, lag dieselbe Botschaft darin: Ich führe nichts Gutes im Schilde. Nur dass Rivers Blick lässig war und fast überheblich, während Neelys Augen … keine Ahnung … sie funkelten eher wie die eines kleinen Jungen, der etwas ausheckt, oder wie die eines frechen, aber gutmütigen Jack Russell Terriers, der spielen will.
    »Ich habe Luke unten im Ort im Café kennengelernt«, erzählte Neely. »Als ich dort gefragt habe, ob jemand meinen Bruder kennt, hat man mich an ihn verwiesen. Luke hat mir erzählt, dass du in ihr Gästehaus gezogen bist, und als ich den Ford Thunderbird in der Einfahrt stehen sah, war das die Bestätigung. Allerdings hat Luke vergessen zu erwähnen, dass im Bett meines Bruders ein hübsches Mädchen liegen könnte.« Er deutete mit dem Daumen auf mich, ohne dabei in meine Richtung zu sehen.
    Meine Wangen färbten sich rot und ich konnte verdammt noch mal

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