Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
Vom Netzwerk:
eine Zigarette, als wäre nichts geschehen. Über ihm, am Fenster neben der Haustür, mit Blick auf den Garten, stand Ben Halls jüngster Sohn, seine Mutter Julie dicht neben ihm. Als sie mich sah, drehte sie sich um und ging weg.
    Wie gesagt, nichts von dem, was ich da sah, überraschte mich, aber was ich nicht sah, gab mir zu denken. Carson Chambliss war nirgends zu sehen, und ich wusste, dass es dafür einen Grund geben musste.

7
    Jess Hall
    Miss Lyle hatte an der Tür schon auf mich und Mr Stuckey gewartet, und sie nahm mich an die Hand und führte mich durch ihr Wohnzimmer, wo Mama auf dem Sofa lag, die Augen geschlossen. Miss Lyle sagte, ich sollte mich im Esszimmer an den Tisch setzen und so leise wie möglich sein und auf meinen Daddy warten. Miss Lyle ging zurück ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Sessel neben dem Sofa. Im Haus war es heiß wie in einem Backofen, weil kein Lüftchen ging, obwohl sie überall die Fenster aufgemacht hatte, nachdem ich reingekommen war und mich hingesetzt hatte. Es war auch dunkel hier drin, und es brannte kaum Licht, nur eine Lampe im vorderen Zimmer und eine Glühbirne über dem Tisch, an dem ich saß und wartete. Mr Stuckey blieb draußen auf der Veranda, nachdem ich reingegangen war, und ein paar Minuten später hörte ich ein Auto die Straße raufkommen und anhalten, und dann hörte ich eine Tür auf- und wieder zugehen, und das Auto fuhr weg. Ich wusste, dass da jemand gekommen war, um ihn abzuholen.
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und blickte ins Wohnzimmer, wo ich unter dem Spalt der Tür zur Küche ein bisschen Licht sah. Da drin waren Leute, die ich aber noch nicht gesehen hatte. Ich hörte die flüsternden Stimmen von ein paar alten Frauen. Ich konnte auch den Kaffee riechen, den sie da drin gerade kochten, und bestimmt wussten sie nicht mal, dass ich da war. Und selbst wenn, hatten sie mich wahrscheinlich total vergessen, wo Mama doch da im Wohnzimmer auf dem Sofa lag und sich die Augen ausheulte und Miss Lyle neben ihr in dem Sessel saß und »Ist ja gut, ist ja gut« flüsterte und Mama den Rücken streichelte.
    Draußen kam wieder ein Auto langsam die Straße vor dem Haus rauf, und ich hörte die Reifen auf dem Kies knirschen, als es in Miss Lyles Einfahrt bog. Ich hörte die Autotüren aufgehen und zuknallen, und dann hörte ich Schritte auf dem Kies. Ich betete, dass es Daddy war, der mich abholen kam, und ich saß da und spitzte die Ohren. Wer immer die da draußen waren, ihre Schritte auf dem Kies klangen ganz langsam, als würden sie es niemals ins Haus schaffen. Dann hörte ich sie nicht mehr auf dem Kies, und ich wusste, dass sie die Verandastufen hochkamen, Stufe für Stufe.
    Die Vordertür öffnete sich knarrend, und eine Männerstimme sagte: »Addie.« Es war nur eine Sekunde lang still, dann fing Mama wieder an zu weinen, noch lauter als vorher. Ich wusste, der Grund, warum sie wieder weinte, musste gerade ins Haus gebracht worden sein, weil die Schritte auf dem Holzboden im Wohnzimmer sich anhörten, als würde da jemand etwas Schweres tragen, und ich drehte mich auf meinem Stuhl in die Richtung, um zu sehen, was es war. Zwei alte Männer aus der Kirche kamen ins Esszimmer geschlurft, und sie blieben stehen, als sie mich am Tisch sitzen sahen. Sie trugen Stump. Sein Kopf hing nach vorne, und er hatte die Augen geschlossen, als würde er schlafen, aber ich wusste, dass er nicht schlief, und ich wusste, ohne ganz sicher sein zu können, dass das die beiden Männer waren, die ihn aus der Kirche getragen hatten, als ich und Mr Stuckey in Daddys Pick-up weggefahren waren. Ich wollte was zu ihnen sagen, aber mein Unterkiefer zitterte, und ich kriegte den Mund nicht auf. Ich spürte, wie mir Tränen übers Gesicht liefen.
    »Alton«, sagte einer der alten Männer. Er hielt Stump unter den Armen und sah den anderen Mann an.
    »Was ist passiert?«, fragte ich schließlich, aber ich weinte so heftig, dass sie wahrscheinlich gar nicht verstehen konnten, was ich gesagt hatte. Ich konnte sie vor lauter Tränen kaum sehen. »Was ist mit ihm passiert?«, fragte ich, aber das kam noch undeutlicher raus als das vorher.
    »Alton«, sagte der Mann wieder. Der, der Alton hieß, hielt Stump an den Beinen und starrte mich bloß an. Als er seinen Namen hörte, sah er den anderen Mann an. Sie schlurften durch den Raum zu dem Schlafzimmer auf der anderen Seite des Tisches. Es war ganz leise geworden, ich konnte Mama nebenan kaum noch weinen hören, und ich

Weitere Kostenlose Bücher