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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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verschwunden. Es gab keinen offensichtlichen Grund, warum er sich ausgerechnet hier niedergelassen hatte, und er schien auch keinerlei Verwandtschaft in diesem Teil von North Carolina zu haben, jedenfalls konnte ich keine finden. Ich erkundigte mich bei ein paar Leuten im näheren Umkreis, denen ich vertraute und die den Mund halten konnten, und fand heraus, dass er aus Stephens County in Georgia gekommen war, rund drei Stunden südwestlich von uns. Es waren noch ein paar Telefonate erforderlich, aber nach höchstens ein, zwei Tagen hatte ich Sheriff Tyrie Nicks in Toccoa, Georgia, in der Leitung und fragte ihn, ob er schon mal von einem Mann namens Carson Chambliss gehört hatte.
    »Großer Gott«, sagte er. »Wer hat denn noch nicht von dem Scheißkerl gehört?« Er sagte, Chambliss würde den Leuten immer erzählen, er wäre gelernter Mechaniker, aber Nicks hatte immer nur erlebt, dass er wegen kleinerer Diebstähle, Besitz von Marihuana und anderer Drogen festgenommen wurde. »Ich habe ihn lange im Visier gehabt«, sagte er, »aber er musste sich erst selbst in die Luft jagen, bis wir ihm endlich was Größeres nachweisen konnten.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ich.
    »Er hat Meth gekocht«, sagte Nicks. »Aber wir haben ihn nie erwischt, weil er andauernd zwischen irgendwelchen Hütten und verlassenen Wohnwagen hin und her gezogen ist. Und dann kriegten wir eines Morgens die Meldung rein, dass ein altes Haus etwa zehn Minuten außerhalb von Toccoa in die Luft geflogen war. Es war Chambliss, besser gesagt das, was von ihm übrig war.«
    »Dann war er schwer verletzt?«, fragte ich.
    »Sie haben ihn sich noch nie genauer angesehen, was?«, fragte er mich.
    »Nein, Sheriff«, sagte ich, »habe ich nicht.« In Wahrheit hatte ich ihn damals überhaupt noch nie gesehen. Ich hatte keine Ahnung, wie er aussah.
    »Tja, bei der Explosion sind etwa vierzig Prozent seiner Haut verbrannt. Er wäre fast gestorben. Die Ärzte mussten richtig große Hautlappen von den Beinen und vom Rücken verpflanzen. Er muss beim Kochen eine Gasmaske oder so was getragen haben, weil ihm im Gesicht nichts anzusehen ist. Aber seine Brust und die rechte Körperhälfte sind echt kein schöner Anblick. Wenn man ihn ohne Klamotten sieht, könnte man meinen, er wär so ein Scheißmutant.« Er seufzte, als würde er mir gleich etwas erzählen, was er besser nicht erzählen sollte oder wollte. »Und wollen Sie hören, was das Schlimmste war?«, fragte er.
    »Und ob ich das will«, sagte ich.
    »Als das Haus in die Luft flog, hatte er eine Sechzehnjährige bei sich, eine Ausreißerin aus Mississippi. Sie ist eine Woche später an ihren Verbrennungen gestorben. Ihre Eltern sind aus Jackson gekommen und haben sie nach Hause geholt. Es war eine traurige Geschichte, von vorne bis hinten.«
    »Was ist aus Chambliss geworden?«, fragte ich.
    »Wir haben versucht, ihn wegen Totschlags dranzukriegen, aber Sie wissen ja, wie so was läuft, Sheriff. Sein Pflichtverteidiger hat dafür gesorgt, dass die Anklage auf fahrlässige Tötung verringert wurde, und die Zeitung hat das arme Ding als Mittäterin hingestellt. Er hat bloß drei Jahre gekriegt. Ich glaube, zwei davon hat er abgesessen.«
    »Das gibt’s doch gar nicht«, sagte ich.
    »Leider ja«, sagte er. »Aber wie gesagt, Sie wissen ja, wie so was läuft.« Er schwieg kurz, und ich dachte schon, er hätte mir alles erzählt, was er über Chambliss wusste. Dann räusperte er sich. »Wollen Sie noch was hören? Als er unten in Alto im Gefängnis Allendale saß, hat er Lügengeschichten über seine Narben erzählt, hat gesagt, die hätte Gott ihm zugefügt. Er hat erzählt, die Hand des allmächtigen Gottes wäre herabgefahren und hätte seinen Körper in Brand gesetzt, um ihn von den Sünden dieser Welt zu reinigen.«
    »Aber was war mit der Explosion und dem Meth?«, fragte ich. »Wie hat er das erklärt?«
    »Er hat gesagt, das wäre Gottes Weg gewesen, es zu tun.«
    »Und das Mädchen?«
    »Das hat er nie mehr erwähnt, jedenfalls nicht mehr, seit er im Knast saß. Als hätte es die Kleine nie gegeben. Aber wissen Sie, was? Und Sie werden mir nicht glauben, wenn ich es Ihnen sage, aber der Gefängnisdirektor hat mir erzählt, sie hätten den Mann nur mit Mühe davon abhalten können, sich selbst anzuzünden, sobald er im Knast war. Der Direktor hat gesagt, Chambliss hätte irgendeine Sekte gegründet, die sich ›Signs Following‹ nannte. Er hat gesagt, die hätten im Knast, egal wo, Gottesdienste

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