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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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über den Fußboden Richtung Wohnzimmer kommen.
    Ich drehte mich um, schlich zurück ins Esszimmer, ging auf die andere Seite des Tisches und blieb an der Tür vom Schlafzimmer stehen, wo die Männer Stump aufs Bett gelegt hatten. Es hatte noch keiner die Küchentür geöffnet, und aus der Entfernung konnte ich sie nur noch so gerade eben da drin reden hören, und ich konnte hören, wie die Vorhänge im Esszimmer von dem leichten Luftzug bewegt wurden, der jetzt durch die offenen Fenster hereinwehte. Ich legte die Hand an den Knauf und drehte ihn ganz langsam und hoffte, die Tür würde kein Geräusch machen. Und dann ging ich ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter mir genauso leise, wie ich sie geöffnet hatte.
    Es war dunkel und heiß da drin, weil die Fenster geschlossen und die Vorhänge zugezogen waren. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, dass über dem Bett ein kleines bisschen Mondlicht reinfiel, und in dem Licht konnte ich Stump erkennen, der mitten auf dem Bett lag, die Arme ausgestreckt am Körper. Sein Gesicht war von mir abgewandt, als würde er schlafen oder einfach so daliegen und die Wand anstarren. Ich konnte ihn nicht so gut sehen, wie ich wollte, deshalb ging ich näher ans Bett, bis ich direkt neben ihm stand. Die Bettdecke war ein weißer Quilt, und dadurch sah sein Gesicht in dem Licht, das durch die Vorhänge drang, blassblau aus. Ein paar Knöpfe an seinem Hemd waren abgerissen, und es stand weit offen, so dass ich seine Brust sehen konnte. Ich stand bloß da und sah ihn an, und dann kletterte ich aufs Bett, damit ich sein Gesicht sehen konnte. Auf seiner Lippe war ein kleiner Fleck getrocknetes Blut, als hätte er sich aus Versehen draufgebissen, und seine Augen waren geschlossen, als wäre er noch nicht aufgewacht, und ich dachte daran, dass ich manchmal nachts wach wurde und zu ihm rüberschaute und zusah, wie er im Schlaf Luft durch den Mund ausstieß. Nachts war es im Haus immer so still, dass ich ihn leise neben mir atmen hören konnte. Manchmal lag ich dann da und lauschte, endlos lange, wie es mir vorkam, aber dann schlief ich doch im Nu wieder ein. Aber er sollte jetzt nicht hier so liegen und schlafen, auf Miss Lyles Bett, wo das Mondlicht von draußen auf die Vorhänge von diesem heißen Zimmer schien und Mama auf dem Sofa weinte und Daddy auf dem Weg hierher war. Ich wollte ihm sagen: »Wach auf, Stump«, aber ich sagte nichts, weil ich Angst davor hatte, zu sehen, dass er mich nicht hören würde.
    Ich kniete mich neben ihm aufs Bett, zog die Vorhänge hinter dem Bett zurück und schob das Fenster hoch, um etwas Luft reinzulassen. Ich schaute nach draußen. Der Mond schien hell, und ich sah unseren Pick-up und die anderen Autos vor dem Haus in der Einfahrt parken. Ich ließ die Vorhänge auf, und dann blickte ich runter auf Stump, auf sein Gesicht im Mondschein. Ich legte mich neben ihn und starrte an die Decke, während die Luft durch die Vorhänge übers Bett strich. Ich dachte, dass es sich genauso anfühlte, wie zu Hause in unserem Bett zu schlafen, und einen Moment lang stellte ich mir vor, dass Mama noch nicht in unser Zimmer gekommen war, um uns zu wecken.
    Ich schloss die Augen und dachte daran, wie ich und Stump im Farn unten am Bach lagen, wo die Sonne, die durch die Bäume drang, noch immer hell auf sein Gesicht schien. Irgendwo am Bachufer quakte ein alter grüner Frosch und hörte sich an wie ein Banjo mit einer lockeren Saite, und ich wusste, wenn ich nicht aufpasste, würde Stump auf die Idee kommen, nach dem Frosch zu suchen, und irgendwann würde ich dann aufstehen und mich auf die Suche nach Stump machen müssen. Ich gab mir alle Mühe, die Augen aufzuhalten, aber manchmal hört sich plätscherndes Wasser im Bach so an wie Leute, die miteinander reden, und ich hörte ihnen zu, bis ich in der warmen Sonne eindöste, und als ich wieder wach wurde, sah ich, dass Stump auch eingeschlafen war, und es war wohl schon spät, weil kein Licht mehr in den Bäumen war und die Luft schön kühl wurde. Ich sah in sein Gesicht, bis er blinzelte und nach oben schaute, wo das Sonnenlicht in den Baumwipfeln verblasste, und lächelte.
    »Wir müssen jetzt nach Hause gehen«, flüsterte ich.
    Ich hörte ein Geräusch, als würde ein alter Wagen schnell die Straße heraufgefahren kommen, und ich lag mit geschlossenen Augen da und horchte. Ich hörte Schritte über lockeren Kies laufen und eine Fliegentür zuknallen und die Stimme von meinem Daddy

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