Fürchtet euch
durch die Wände in einem Zimmer weit weg von uns. Der Knauf an der Schlafzimmertür drehte sich, und ich wünschte, es wäre Mama, die uns wecken kam, obwohl keiner von uns beiden schlief, und ich öffnete die Augen in das sanfte Mondlicht hinein, in dem Stump noch immer direkt neben mir lag.
»Jess«, sagte jemand. Ich schaute auf und sah Daddy, der in der Tür stand und mir seine Hand hinstreckte. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er von mir wegschaute, in das andere Zimmer, wo die Lampen brannten. Ich wollte ihm erzählen, was ich gesehen hatte, dass sie ihn aus der Kirche getragen hatten, dass er hier drin war, mit mir zusammen auf dem Bett, aber so, wie Daddy dastand, kam es mir vor, als wäre es zu dunkel und still, um überhaupt was zu sagen.
Ich kletterte vom Bett und ging zu Daddy an der Tür, wo er noch immer in das andere Zimmer blickte, und nahm seine ausgestreckte Hand, die sich rau und trocken anfühlte. Er führte mich ins Esszimmer, und dann ging er zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür, und ich hörte, wie er einen Stuhl über den Boden zum Bett zog.
Ich ging rüber zum Esszimmerfenster und schob die Vorhänge ein Stückchen beiseite und schaute hinaus. Es war stockdunkel da draußen, aber ich konnte die Umrisse der Autos in der Einfahrt sehen und die kleinen Bäume und Büsche rings um den Garten. Irgendwas draußen an der Straße sprang mir ins Auge, und als ich genauer hinschaute, sah ich, dass da einer stand und eine Zigarette rauchte. Ich beobachtete, wie sich die orangeglühende Spitze vom Mund nach unten bewegte und dann wieder hoch zum Mund. Ich konnte nicht erkennen, wer das da draußen war, also ging ich rüber zum Schalter und schaltete den Kronleuchter über dem Tisch aus, und das Esszimmer wurde dunkel. Ich ging zurück ans Fenster und schob die Vorhänge wieder beiseite und sah einen alten, verbeulten Pick-up an der Straße vor dem Haus parken und einen Mann, der rauchend an der Kühlerhaube lehnte. Das musste der Mann sein, von dem Mama wollte, dass ich Grandpa zu ihm sagte. Er hatte seine Mütze tief in die Stirn gezogen, und er blickte zu Boden, und obwohl ich sein Gesicht nicht gut erkennen konnte, sah er trotzdem kein bisschen so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Er warf die Zigarette auf den Kies und trat sie aus. Dann verschränkte er die Arme, als würde er darauf warten, dass irgendwas passierte, und er drehte den Kopf und blickte über die Straße Richtung Bergkamm.
Im Haus war es jetzt fast ganz still geworden, und ich konnte Daddy ganz leise durch die Tür vom Schlafzimmer hören, wo er auf dem Stuhl am Bett saß und Stump irgendwas zuflüsterte. Ich starrte aus dem Fenster und lauschte angestrengt, um zu hören, was Daddy sagte, aber er flüsterte zu leise. Aber dann hörte ich, wie Mama sich auf dem Sofa bewegte, als würde sie sich umdrehen, und ich hörte, wie Miss Lyle mit ihrem Sessel ein Stück näher rückte. Ich stellte mir Mamas Gesicht vor, wie sie die Augen öffnete und Miss Lyle anblinzelte, als hätte sie geschlafen und wäre gerade aus einem Traum aufgewacht. Draußen wandte der Mann, von dem Mama wollte, dass ich Grandpa zu ihm sagte, das Gesicht von dem Bergkamm ab, sah die Straße runter und hustete und spuckte irgendwas in den Kies.
Ich ließ den Vorhang zufallen und setzte mich auf den Boden und lehnte den Rücken gegen die Wand. Ich verschränkte die Arme auf den Knien und legte den Kopf darauf, um mein Gesicht zu verbergen. Dann saß ich da und dachte daran, was Daddy nebenan Stump wohl zuflüsterte, und ich weinte und weinte und konnte einfach nicht aufhören.
Die Schlafzimmertür öffnete sich, und von da, wo ich saß, konnte ich unter dem Tisch hindurch die Stiefel von meinem Daddy über den Boden gehen sehen. Sie gingen an den Stühlen vorbei, bis sie direkt vor mir stehen blieben. Als ich nicht hochguckte, hockte Daddy sich vor mich hin und legte mir eine Hand auf den Kopf.
»Hey, Kumpel«, sagte er. »Hey, Jess.«
Da guckte ich dann doch hoch, und ich dachte mir, dass meine Augen vom vielen Weinen an dem Tag ganz schön verquollen aussehen mussten. Daddy sah mich an, und dann zog er mich an sich, und ich legte das Gesicht an sein Hemd. Ich konnte ihn jetzt riechen, und er roch so wie immer, nach der Scheune und nach seinem Schweiß im Kragen von dem Hemd, das er bei der Arbeit auf dem Feld getragen hatte, und einen kurzen Augenblick lang fühlte ich mich besser, weil er roch wie er, und das bedeutete, dass er
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