Fürchtet euch
wusste, dass sie das Gesicht in eines der Sofakissen gedrückt hatte. Ich wusste, dass die alten Männer Stump aufs Bett gelegt hatten, denn ich hörte die Federn quietschen. Ich hörte auch das Flüstern der beiden da drin, und dann hörte ich die Tür zugehen. Eine Sekunde später spürte ich eine Hand auf der Schulter.
»Mein Sohn«, sagte eine Stimme. Ich schaute hoch und sah den alten Mann, der Alton hieß, neben mir stehen. Seine Augen waren leuchtend blau und blickten traurig, und sein Gesicht war braungebrannt und runzelig. »Es tut mir leid, mein Sohn«, sagte er. Er drückte mir die Schulter gerade so fest, dass ich es spüren konnte.
»Alton«, sagte der andere Mann. Alton drückte mir noch einmal die Schulter.
Die beiden alten Männer gingen durchs Wohnzimmer und öffneten und schlossen die Küchentür, ohne ein Geräusch zu machen. Gleich darauf hörte ich sie flüsternd mit den alten Frauen sprechen, die bereits in der Küche waren. Ich hörte, wie die Kanne leicht gegen ihre Tassen schlug, als sie sich Kaffee eingossen, und dann hörte ich, wie die Kanne wieder auf den Herd gestellt wurde. Ich lehnte mich so weit ich konnte auf dem Stuhl nach hinten und lugte um die Ecke ins Wohnzimmer. Ich konnte bloß Mamas Füße sehen, aber ich konnte erkennen, dass sie sich auf die Seite gedreht hatte, mit dem Rücken zu Miss Lyle. Miss Lyle saß noch immer in dem Sessel neben ihr.
Ich verschränkte die Arme auf dem Tisch und legte den Kopf darauf. Ich atmete schwer und versuchte, mit dem Weinen aufzuhören, und ich wusste, dass die hölzerne Tischplatte wahrscheinlich von meinem Atem beschlug und mein Gesicht davon nass und heiß wurde, aber nach einem Moment war mir klar, dass es von meinen Tränen nass war.
Als ich aufsah, stand Miss Lyle bei mir am Tisch, und ich fragte mich, wie lange wohl schon.
»Jess«, sagte sie, »kann ich dir was zu trinken holen, vielleicht ein Glas Milch oder eine Kleinigkeit zu essen?«
Mein Mund war trocken wie ein Wattebausch, und ich hatte Durst, aber ich schüttelte trotzdem den Kopf, weil ich einfach nur dasitzen und auf Daddy warten wollte, ohne mit irgendwem reden zu müssen. Miss Lyle stand da und sah mich an, als wartete sie darauf, dass ich etwas sagte.
»Ich möchte nichts«, sagte ich, und dann legte ich den Kopf wieder auf den Tisch. Ich wusste, dass sie noch immer dastand und mich ansah.
»Sag mir Bescheid, wenn du was brauchst«, sagte sie. Ich sah auf, und sie war noch da. Sie legte mir eine Hand auf den Kopf und strich dann mit den Fingern durch mein Haar. »Dein Daddy ist bestimmt bald da, aber scheu dich nicht, mir zu sagen, wenn du was brauchst.«
Sie drehte sich um und ging durchs Wohnzimmer, und ich sah, wie sie die Tür zur Küche öffnete. Sie hielt die Tür einen Moment auf, und ich konnte einen Tisch da drin sehen, an dem ein paar von den alten Leuten mit ihren Kaffeetassen saßen. Alton und der andere alte Mann, die Stump ins Haus getragen hatten, standen mit verschränkten Armen an die Arbeitsplatte gelehnt. Sie alle blickten Miss Lyle an, als sie hereinkam. Sie ließ die Tür hinter sich zufallen, und dann konnte ich nichts mehr sehen.
Ich schob den Stuhl so leise ich konnte vom Tisch weg, und dann stand ich ganz langsam auf und ging zum Eingang vom Wohnzimmer und schaute hinein. Mama lag noch immer auf dem Sofa, mit dem Rücken zu mir, und ich konnte sie atmen hören, aber sie schlief nicht, das merkte ich. Eine Stimme kam aus der Küche, die lauter war als alle anderen. Es war Miss Lyle, und sie klang wütend.
»Ist mir egal, warum er da drin war«, sagte sie. »Er hatte da nichts zu suchen. Nicht heute Abend und auch nicht heute Morgen. Niemals.«
»Aber Adelaide«, sagte eine von den alten Frauen. »Ich weiß, was ich heute Morgen gesehen habe, und ich weiß, was ich gehört habe. Es war ein Wunder.«
»Wir alle haben den Jungen sprechen hören«, sagte der Mann, der Alton hieß. »Jeder von uns hat es gehört.«
»Na, das ist ja nun wohl egal, oder?«, sagte Miss Lyle. »Es ist völlig egal, was ihr heute Morgen da drin gehört habt. Entscheidend ist, was heute Abend passiert ist, und ich sage euch, macht euch drauf gefasst, mit dem Sheriff zu reden, wenn er hier ist.« Danach wurde es still, und ich stellte mir Miss Lyle vor, wie sie mit den Händen in den Hüften die alten Frauen und die beiden alten Männer anstarrte, bis die wegschauten. Ich konnte hören, wie jemand Wasser in die Spüle laufen ließ, und dann hörte ich Schritte
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