Fuerstin der Bettler
nichts mehr. Er lächelte nur versonnen, nickte einem unbekannten Wesen zu, das es nur in seiner Fantasie geben konnte, denn in Wirklichkeit war nichts und niemand zu sehen.
»Jetzt redet endlich, in drei Teufels Namen!«, herrschte die Liss ihn an. »Was war das für ein Wesen?«
»Es war ein ...« Der Mönch stockte, als müsste er sich besinnen. »Es ist im Physiologus beschrieben ...«
Hannah stieß Bruder Adilbert mit dem Fuß an. »Verwendet keine gelehrten Ausdrücke, die wir nicht kennen, sondern redet so, dass wir es verstehen können. Was ist ein Physigolus?«
» Der Phy-si-o-lo-gus ist ein Bestiarium, also ein Buch. Darin sind verschiedene Tiere beschrieben und deren Bedeutung aufgezeichnet. Dort kommt auch die Äffin vor. Und der Physiologus sagt über sie: ›Die Äffin ist das Abbild des Teufels‹. Ich habe solch eine Äffin, solch eine Teufelin schon einmal gesehen, allerdings nur als Bild – und sie dann abgemalt. Sie sah so aus wie das Untier, von dem ihr erzählt habt.«
Die beiden Frauen sahen ihn mit offenem Mund an.
»Wo kommt sie her?«, fragten Hannah und die Schwarze Liss wie aus einem Mund.
»Sie stammt aus Afrika.« Als Bruder Adilbert die fragend hochgezogenen Augenbrauen der Frauen sah, erklärte er: »Sie kommt von weit, weit im Süden. Wie sie hierhergekommen ist, weiß ich natürlich nicht. Aber sie hat einen langen Weg hinter sich. Ein Wunder, dass sie noch lebt.«
Hannah räusperte sich. Sie stand auf und musste zweimal auf und ab gehen, bevor sie die Frage stellen konnte, die ihr auf den Nägeln brannte. »Wofür braucht man sie?«
Die Schwarze Liss zuckte mit den Schultern und knurrte: »Als Wachhund war sie jedenfalls denkbar schlecht.«
Bruder Adilbert senkte zuerst den Kopf und biss auf seiner Unterlippe herum, dann hob er den Blick und richtete ihn auf Hannah.
»Sodomie!«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Wenn sie schon Kinder in die Stadt schaffen, dann ist dieses Tier vermutlich dazu da, um mit ihm zu ...«, er musste husten, als wäre die Luft plötzlich zu trocken, »... zu kopulieren. Succubus ...« setzte er schaudernd hinzu.
»Maria Muttergottes, bete für uns«, entfuhr es der Liss. Sie bekreuzigte sich hastig. »Teufelswerk!«
Hannah schloss die Augen und atmete tief ein.
Ihr Haus war niedergebrannt worden, damit irgendwelche Lüstlinge in dieser Stadt leichter an ihre Opfer herankamen, damit sie Unzucht treiben konnten mit Tieren und mit Kindern! Sie konnte es nicht fassen. Dafür hatten zwei Menschen sterben müssen und sie war verunstaltet worden.
Sie konnte das nicht zulassen. Sie konnte nicht einfach zusehen, wie dieser Patrizier, dieser Hartmut Aigen, ohne Skrupel schaltete und waltete und das Gesetz brach. Wenn Gera nochlebte, wenn sie wirklich noch lebte, wie der Rote behauptet hatte, dann musste man gegen ihn vorgehen.
»Wir haben noch ein Problem«, warf der Mönch ein. »Wer versteckt sich unter der Schwarzen Kapuze?«
»Er sah teuflischer aus als die Äffin«, sagte Hannah. »Vielleicht ist es tatsächlich ein Geist?«
»Unsinn. Es gibt keine Geister!«, wetterte Bruder Adilbert. Verlegen blickte er zu Boden.
»Oh, mein liebes Mönchlein, dann steht Ihr hier aber nicht auf dem Boden der Kirche. Die sagt etwas ganz anderes. Und wenn Ihr den Predigten eures Abtes zuhören würdet, dann wüsstet Ihr, dass die Welt voller Teufel ist.«
Jetzt stand auch Bruder Adilbert auf. »Das ist sie fürwahr. Aber die meisten dieser Teufel tragen bürgerliche Kleidung oder Priestergewänder. – Was ich damit sagen will: Ein Wesen, wenn wir von derselben hellgesichtigen Kreatur reden, das in der Lage ist, ein Messer zu führen, ist menschlicher, als ich es mir wünschen würde.«
»Ihr glaubt also nicht an einen Geist?«, fragte die Liss.
»Nein, meine Liebe. Die Wesenheit des Menschen ist so vielfältig, dass wir keine Zuflucht zu irgendwelchen Geistern nehmen müssen. Dennoch – diese Kreatur ist zweifellos gefährlich, sehr gefährlich.«
»Das ist sie in der Tat«, mischte sich die Liss jetzt ein. »Es ist der Weiße von Aigen!«, sagte sie und leckte sich die öligen Finger ab.
»Ein Weißer? Was ist das?«
»Niemand kennt ihn wirklich. Er dient Aigen. Folgt ihm überallhin wie ein Hund. Er scheut das Tageslicht, aber er sieht in der Nacht wie ein Habicht. Seine Zeit ist gekommen, wenn sich der Mond hinter Wolken versteckt oder wenn der Neumond seinen schwarzen Atem über die Erde bläst.«
»Du machst mir Angst, Liss«, sagte
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