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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Doch woher um alles in der Welt wusste Nelda, wo sie war?
    Mit einem Seufzen erhob sie sich, schwang die Beine über die Bettkante – und mit dem Schwung schüttelte sie alle Verzagtheit ab, die sie im Griff gehalten hatte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
    Sie lief die Treppe hinab und wäre beinahe mit Nelda zusammengestoßen, die, noch über die Schulter hinweg mit der Schwarzen Liss redend, die Treppe heraufkam.
    »Was ist?«, fragte Hannah und sah, wie das Mädchen beinahe zu Tode erschrak.
    »Röttel!«, zischte sie. »Um Himmels willen.«
    Unsicher sah die Liss sie an. »Woher weißt du, wo wir sind?«
    Jetzt grinste Nelda frech. »Du gehst keinen Schritt in dieser Stadt, ohne dass wir es wissen.«
    Erstaunt nickte Hannah. Sie straffte sich und wischte sich die letzten Tränen aus den Augenwinkeln.
    »Warum bist du hier?«, fragte sie dann und setzte dann sofort hinzu: »Wie geht es der Kleinen?«
    Nelda nickte. »Gut. Sehr gut sogar. Deshalb bin ich hier. Sie will mit dir sprechen. Nur mit dir.«
    Hannah nickte. Sie musste unbedingt mit dem Mädchen reden. Selbst auf die Gefahr hin, entdeckt zu werden.
    »Auf zum Fledermausturm«, sagte sie, und an die Liss und den Mönch gewandt setzte sie hinzu. »Spätestens morgen bin ich wieder hier. Dann müssen wir etwas unternehmen.«
    Hannah zeigte Nelda den rückwärtigen Ausgang, befahl ihr jedoch, vorne hinauszugehen, so wie sie gekommen war. Hannah würde nach hinten verschwinden, und an den Hennastäpfala würden sie beide sich wieder treffen.
    Jetzt, da sie allein auf der Straße war, fühlte Hannah das Unbehagen, das allenthalben aus den Wänden kroch. Als hätte der Wind gedreht oder sich ein Tuch aus Misstrauen über die Stadt gelegt. Sie hatte das Gefühl, als würden die argwöhnischen Blicke aus den Fenstern sie treffen, als würden die Menschen, an denen sie vorüberging, sich nach ihr umdrehen, als wäre sie ein fremdartiges Wesen – und sie konnte nicht sagen, warum. Es mochte auch an ihr selbst liegen, weil sie in jedem schiefen Blick, in jedem Runzeln der Stirn eine Geste sah, die sie betraf. Dabei konnten sich die Menschen ebenso gut in Gedanken befinden oder sie schauten aus reiner Gewohnheit allem und jedem hinterher.
    Was sie jedoch mit Bestimmtheit spürte, war, dass sie ihre Sicherheit verloren hatte, die Sicherheit, durch eine Stadt zu gehen, in der die Menschen zwar keine Engel, aber auch keine ausgesprochenen Teufel waren. Doch seit sie wusste, was Gera vielleicht zugestoßen war, empfand sie dieses abgrundtiefe Misstrauen gegen alle Bewohner dieser Stadt.
    Sie musterte jeden, dem sie begegnete. Sie fragte sich, was sichhinter der schönen Larve oder hinter dem finsteren oder entstellten Gesicht verbarg. Sie hätte viel darum gegeben, wenn sie in den Gedanken der Menschen um sie herum lesen könnte.
    »Du darfst nicht töten« und »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«, das waren nicht nur leere Formeln, es waren Gebote, ohne die die Menschen einander belauern würden wie die Wölfe. Das Misstrauen hatte sich ihr in den Nacken gesetzt wie ein Huckauf und ließ sie nicht mehr los. Die Wolfszeit war angebrochen.
    Obwohl sie einen Umweg machte und sich Zeit ließ, kam sie als Erste beim Turm an. Nichts regte sich. Sie stand oben an den Hennastäpfala und sah auf den Turm und auf den Vorplatz hinunter. Alles war ruhig, als könnte nichts diesen Frieden trüben. Und alles daran war in ihren Augen so falsch, denn dahinter verbargen sich Demütigungen und Elend.
    In den Winkel hockten sicherlich Beobachter, dort warteten die Nachfolger des Roten darauf, dass jemand ihnen unvorsichtigerweise das Tor öffnete und sie einließ, damit sie das Regiment dort drinnen wieder übernehmen und mit den Frauen schalten und walten konnten, wie sie es gewohnt waren. Sie würden sich täuschen.
    Hannah hörte Nelda kommen. Die junge Frau war außer Atem. Noch immer mussten ihr die Striemen und die Wunden zusetzen. Doch Nelda ließ sich nichts anmerken.
    Hannah legte den Finger auf den Mund, als Nelda sie erkannte.
    Sie ließ noch einen zweiten Blick über den Vorplatz schweifen, der im Licht der späten Nachmittagssonne von langen Schatten bedeckt war. Endlich stieg sie mit Nelda rasch und ohne Zögern hinab. Unbehelligt kamen sie zum Tor. Nelda klopfte, während Hannah aufmerksam die Umgebung beobachtete.
    Die Ruhe war etwas, was bei Hannah dazu führte, dass sichihr die Nackenhaare aufstellten. Wie das Lastende vor einem Sturm. Man fühlte es, man

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