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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Hannah.
    »Die solltest du auch haben. Man sagt ihm nach, dass er ein Geschöpf der Finsternis ist. Niemand, der ihn einmal aus der Nähe gesehen hat, kann davon berichten. Sie sind alle ...« Die Schwarze Liss deutete mit der Handkante einen Schnitt durch die Kehle an.
    »Woher wisst Ihr das?«, fragte der Mönch, der bislang stumm zugehört hatte. »Wenn er nachts so gut sehen kann, dann ist er kein Albino. Dann ... dann ... er spielt den Weißen ...«
    »Wir müssen uns vor ihm in Acht nehmen«, sagte Hannah fest. »Aber wir dürfen uns von ihm nicht einschüchtern lassen.«
    Dann überlegte sie, was zu tun war. Sie mussten handeln, sie mussten diesem Scheusal von Aigen das Handwerk legen – ob sie der Weiße, der Kapuzenmann, daran zu hindern versuchte oder nicht – oder doch zuerst einmal herausfinden, ob er tatsächlich hinter all dem steckte, was sie sich jetzt zusammengereimt hatten.
    »Liss, kann man der Luderin trauen?«, fragte Hannah ihre Freundin.
    Diese schüttelte den Kopf. »Nein. Nur sie oder eine von ihren Frauen kann den Kapuzenmann benachrichtigt haben.«
    »Dann müssen wir uns hier heimlich treffen, Bruder Adilbert. Wir müssen etwas tun. Wir müssen uns gegen diesen Hartmut Aigen stellen, auch wenn es eher aussichtslos ist. Wir haben den Roten besiegt, dann werden wir diesen Hartmut Aigen auch in die Knie zwingen, mit oder ohne den Kapuzenmann in Weiß.«
    Ihr Kopf schwirrte vor lauter Gedanken. Ihr war, als schössen sie ständig durch ihren Schädel und würden wie ein Echo von den Schädelwänden zurückgeworfen, sodass sie sich vervielfältigten und verwirrten.
    Hannah verabschiedete sich, ging in den ersten Stock hinauf und legte sich auf eine Liege. Sie war todmüde und wollte allein sein mit ihren Gedanken. Sie starrte an die Decke, die von feinen Rissen durchzogen war. Die dunklen Linien bildeten Muster wie Schriftzeichen, als wäre dort das Leben dieses Hauses aufgezeichnet. Im Schlafzimmer der Apotheke war es ebenso gewesen. Oft hatte sie im Bett gelegen und sich überlegt, was die Zeichen über ihr zu bedeuten hatten, ob sie nicht eine Botschaft an sie, an ihre Familie waren – und als sie einmal ihrem Mann davon erzählte, versuchte der mit ihr das Geheimnis der Deckenrunen zu entziffern. Hannah streckte unwillkürlich die Hand nach Jakob aus, um sogleich festzustellen, dass sie ins Leere griff. Jakob war tot. Das Haus war niedergebrannt. Nie mehr würden sie zusammen das Geheimnis der Runenschrift an der Decke ergründen können. Nur an einem konnte sie sich noch festhalten: Gera. Wenn Gera lebte, dann musste sie ihrer Tochter beistehen – und wenn sie dazu diesen Weißen bezwingen musste. Hannah spürte, wie der Schmerz sie wieder packte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und liefen über, ohne dass sie es hätte verhindern können. Der Blick zu Decke hinauf war getrübt, getrübt wie das Wissen darum, wo Gera war. Langsam rollte sie sich zusammen, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. So lag sie da und zuckte unter Schluchzern. Sie wollte handeln und konnte es nicht, weil sie in der Gosse lebte.
    Hannah horchte auf das Murmeln unten. Der Mönch und die Liss unterhielten sich. Vermutlich erzählte die Schwarze Liss ihm, was sie beide zusammen erlebt und was sie selbst erlebt hatte.
    Ihre Wut, die sie noch getrieben hatte, als sie zum Brandplatz aufgebrochen waren, war einer völligen Erschöpfung gewichen. Jetzt fühlte sie sich ohnmächtig. Wie sollte sie einem Mann wie Hartmut Aigen trotzen können? Sie musste beinahe lachenüber diese Vermessenheit. Sie würde ihn nicht einmal zu Gesicht bekommen. Allenfalls mit seinen Schergen würde sie es zu tun bekommen und mit dem Weißen. Und gegen keinen dieser Unholde, die sie gesehen hatte, konnte sie wirklich etwas ausrichten. Sie waren nicht wie der Rote, der einfältig und von sich eingenommen war, voll von überheblicher Männlichkeit und daher unvorsichtig. Nein, sie waren gerissen und umsichtig. Die schwarze Kapuze, der Geist , flößte ihr Angst ein, ohne dass sie ihn noch recht gesehen hatte. Allein das, was sie von ihm wusste, war abschreckend genug.
    Das Pochen war so leise, dass Hannah es fast überhört hätte. Sie horchte darauf, ob sie ein zweites Pochen vernehmen konnte, doch da wurde unten bereits die Tür geöffnet, und sofort begann jemand schnell und mit sich leicht überschlagender Stimme zu sprechen. Zu ihrer Erleichterung erkannte sie Neldas Stimme. Das Mädchen wollte sicherlich zu ihr.

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