Fuerstin der Bettler
Antwort war eine Art Fiepen wie bei jungen Katzen, wenn sie sich fürchteten und man sie streichelte. Hannah wunderte sich. Nachdem sie geredet hatte, wusste der Teufel, wo sie sich befand. Sie hatte nicht mit diesem Fiepen gerechnet, sondern mit einem Angriff. Doch das Wesen schien ebenso viel Angst zu haben wie sie selbst. Wieder fiepte es, und sie hörte ein Geräusch, als wälzte sich das Wesen auf dem Boden.
Was um alles in der Welt sollte sie davon halten? Wollte derTeufel sie nur in Sicherheit wiegen, um sich danach umso grausamer auf sie zu stürzen? Ihr Mann hatte immer gesagt, wenn dir etwas ungewöhnlich erscheint, denk zuerst nach und lass dich weder vom Schein noch vom Aberglauben leiten. Aber das galt für Krankheiten und Wunden, nicht für Teufelserscheinungen.
Sie dachte dennoch nach: Wenn das Wesen kein Teufel war, fürchtete es womöglich die Dunkelheit ebenso wie sie selbst.
»Was immer du bist ...«, flüsterte Hannah und versuchte, sich ihre eigene Furcht nicht an der Stimme anmerken zu lassen. »Was immer du bist, ich werde dir jedenfalls nichts tun, wenn du mich auch in Ruhe lässt.«
Hannah erinnerte sich an die kräftigen gelben Eckzähne, die sie damals vor dem Lusthaus an diesem Wesen bemerkt hatte.
Doch sie konnte nicht ewig hier stehen und warten. Wenn man die Luderin ausgepeitscht hatte, hatte sie womöglich einen Teil des Plans verraten. Jedenfalls wusste Aigen womöglich, dass die Musikanten keine Kapelle waren und dass Hannah ihre Tochter suchte. Das hieß, dass die Zeit knapp wurde und die Gefahr für Gera wuchs.
Hannah würgte ihre Angst hinunter. Ihr wurde übel, doch sie musste an diesem Wesen vorbei und tiefer steigen, viel tiefer. Jetzt verfluchte sie den Umstand noch mehr, dass sie vergessen hatte, eine Lampe mitzunehmen.
Langsam und wie beschwörend vor sich hin redend setzte sie Schritt vor Schritt. Sie sprach ganz ruhig, sang sogar ein wenig und näherte sich mehr und mehr dem Fiepen, das sich dem Rhythmus ihrer Stimme angepasst hatte.
Hannah konnte nur vermuten, wo sich die Luke befand. Bevor die obere Klappe zugefallen war, hatte sie noch gesehen, wie das Wesen sich an den Rand der Luke geduckt hatte. Sie musste also über diesen Teufel hinwegsteigen, wenn sie tiefer hinabwollte. Je näher sie dem Fiepen kam, desto sicherer war sie, dass dasWesen harmlos sein musste. Schließlich glaubte sie es direkt vor sich zu haben. Hannah hielt ihr Messer so, dass sie einerseits rasch zustechen konnte, wenn es sein musste, andererseits wollte sie, wenn möglich, niemanden damit verletzen. Beschwörungsformeln murmelnd ging sie in die Knie und streckte ihre linke Hand tastend vor. Sie spürte Fell, spürte Wärme, spürte auch, dass das Wesen unter ihrer Berührung zusammenzuckte, und hörte, wie es mit einem Mal andere Laute von sich gab, eine Art Knurren, das höchst gefährlich klang.
Ihre Hand zuckte zurück, und sie stimmte ein Lied an, ein Lied, mit dem man Kleinkinder in den Schlaf wiegte. Es wirkte beinahe sofort. Das Knurren brach ab.
Schließlich streckte sie ihre Hand wieder aus. Das Wesen ließ sich berühren. Licht war das Einzige, was sie im Augenblick gebraucht hätte. Aber sie musste ohne diese Hilfe auskommen.
Nachdem sie das Gefühl hatte, von dem Wesen, das da vor ihr auf dem Boden kauerte, gehe keine Gefahr mehr aus, tastete sie mit der anderen Hand um sich herum, um die Luke zu entdecken. Schließlich spürte sie den Rand hinter dem gezähmten Teufel.
Hannah erhob sich langsam, während sie weiter das Wiegenlied sang, ging um das Wesen herum und suchte nach den Holmen der Leiter.
Sie hatte gerade einen davon gefasst und wollte nach dem zweiten greifen und die erste Sprosse nehmen, als sie plötzlich ins Leere trat. Hannah verlor das Gleichgewicht. In ihrer Verzweiflung versuchte sie, Halt zu finden, und trat mit dem anderen Fuß gegen den Teufel. Der kreischte auf, schnatterte los, und Hannah stürzte ins Nichts. Das Messer entglitt ihr, sie sauste nach unten, an der Leiter entlang wie auf einer Rutsche, spürte plötzlich ein Seil zwischen ihren Fingern, packte es und rutschte langsam nach unten, bis sie auf dem gestampften Lehmbodendes Untergeschosses aufkam. Eisen kreischte aneinander. Als sie den Strick losließ, stöhnte die Luderin oben auf, und das Eisen rasselte wieder zurück. Über ihr tobte der Teufel. Hastig tastete Hannah zuerst nach ihrem Messer, doch sie konnte es nirgends finden, und untersuchte schließlich sich. Sie spürte keinen
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