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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Tränenschleier und dem Schmutz, der ihr übers Gesicht lief und erbärmlich stank.
    Plötzlich fühlte sie, wie jemand zu ihr trat und wie der Stoff ihres Kleides sich leicht bewegte. Vorsichtig sah sie auf, und durch den Nebel der Tränen erkannte sie einen Mann, der sich rasch in Richtung Nebeneingang entfernte. Aus der Kirche erklang ein vielstimmiges Gebet, dann fing eine hohe Stimme an zu singen, und alle stimmten ein. Sie sah nach unten. In der Kuhle ihres zerlumpten Kleides, zwischen Brust und Knien lagen zwei abgegriffene und an den Rändern beschnittene Kupfermünzen. Sie starrte auf das Geld und begann langsam zu begreifen. Sie war ganz unten angekommen, dort, wo kein Gesetz mehr strafte, wo ein Menschenleben nichts galt und wo es nur noch um eines ging: um das nackte Überleben.
    Hannah rappelte sich auf. Sie würde sich den Tod holen, wenn sie noch länger hier im Nassen hocken blieb.
    Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Kirchenmauer und starrte auf den Weg, der am Perlachturm vorbei den Hang von der Oberstadt herunterführte und durch das Barfüßertor, das Hexentor. Ihr war, als würde damit ihr eigener Weg beschrieben. Sie kam aus der Oberstadt und war jetzt im Wasserviertel der Stadt gelandet. Sie hatte das Tor ihres eigenen Todes durchschritten und war in der Hölle der Gegenwart angekommen – und ob es einen Weg zurück und hinauf in die hellere und trockenere Gegend gab, das war völlig ungewiss.
    Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie so dagestandenhatte. Doch plötzlich wusste sie, was sie tun musste. Hannah blickte auf das Fachwerk des gegenüberliegenden Hauses, das sich dunkel und verwittert zu einem Flechtwerk verband und in die Höhe reckte, um das Skelett eines Bauwerks zu bilden. So lenkten die Ereignisse eines Lebens den Gang der Dinge. Alles hing mit allem zusammen, alles stützte sich gegenseitig. Es konnte demnach nicht sein, dass das Haus ihres Mannes einfach niedergebrannt war. Es galt nach einer Ursache zu forschen. Sie musste nur suchen.
    Mit den beiden Kupfermünzen in der Hand lenkte sie ihre Schritte auf das Barfüßertor zu, durch das sie hindurchmusste. Dann noch durch das Tor zur Bischofsstadt, um in den Pfaffenwinkel und zu ihrem Haus an der Stadtmauer nahe des Stephinger Tors zu gelangen.
    Sie lief die Gasse entlang und auf das Barfüßertor zu. Doch Hannah musste erfahren, wie sehr sich das Leben einer Bettlerin gegenüber dem einer Bürgerin veränderte. Vor dem Barfüßertor standen Wachen. Sie konnte den Durchgang schon sehen, da rief ein Wächter: »Weg hier! Niemand von deinesgleichen kommt durch das Tor.«
    Jetzt erinnerte sie sich daran, dass man versuchte, die Jakober-Vorstadt von der übrigen Stadt zu trennen. Die Jakobskirche war eine Station auf dem Weg nach Santiago und wurde von Bettlern, Kranken und Bresthaften besucht. Niemand wollte diese Menschen in der Stadt haben, vor allem nicht in der Oberstadt der reichen Kaufleute. Das Barfüßertor sollte verhindern, dass sich Krankheiten und Seuchen ausbreiteten. Das Tor durchschreiten durfte nur, wer sich als Stadtbürger ausweisen konnte. Und sie war durch das Gitter dieser Auslese gefallen. Niemand würde sie auch nur einen Fußbreit in die Oberstadt lassen.
    Doch sie gehörte jetzt zu den Augsburger Stadtarmen, also zudenen, die ein Recht darauf hatten, vor allen Kirchen die Hand aufzuhalten. Sie hielt ihre Bettelmarke hoch – und blickte in die Spitzen der Hellebarden.
    »Du musst noch viel lernen, Röttel«, hörte sie eine Stimme hinter sich kichernd sagen.
    Hannah wandte sich um. Die Schwarze Liss stand da und hielt ihr die geöffnete Hand entgegen.
    »Ich bin nicht die Röttel«, zischte Hannah. Sie konnte nicht umhin, in die geöffnete Hand zu schauen. Zwei Kupfermünzen lagen auf der offenen Handfläche.
    »Für ein Brot und einen Schluck Bier für zwei reicht es«, bemerkte die Schwarze Liss.
    Hannah hielt ihr die zwei Kupfermünzen entgegen, die sie selbst bekommen hatte. »Ich brauche kein Almosen von dir!«
    »Oh.« Die Schwarze Liss klang ehrlich erstaunt. »Ich dachte, sie hätten dich in die Gosse gestoßen. Aber ich sehe, du hast ein natürliches Talent, Mitleid zu erregen.«
    »Hau ab!«, stieß Hannah hervor, doch die Schwarze Liss bedachte diesen Satz mit einem Lächeln und hakte sich unter.
    »Ich kann mir denken, was du willst. Aber allein hast du noch nicht die Erfahrung. An den Wachen dort kommst du nie und nimmer vorbei. Es gibt allerdings andere Wege.« Die Schwarze

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