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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Liss grinste und schaute sie von unten her an.
    Die Bettlerin wirkte älter, als sie wohl war. Hannah hatte zunächst gedacht, die Stadtarme habe mindestens vierzig Jahre auf dem Buckel. Jetzt wirkte sie beinahe nur halb so alt.
    »Wir holen uns Brot, Röttel, dann schauen wir hinauf in die Oberstadt!«
    Die Schwarze Liss humpelte vor ihr her, bog am Barfüßertor nach rechts ab und ging am Graben entlang bis hinunter zur unteren Mauer, ohne sich einmal nach Hannah umzudrehen. Plötzlich zeigte sie nach vorn. »Der Hexenturm. Da geht’s überdie Hennastäpfala hinauf in den Pfaffenwinkel. Niemand, der uns aufhält.«
    Ein wenig mehr als fußbreiter Pfad aus gemauerten Ziegelstufen, der so steil und schmal war, dass er in der Bevölkerung nur »die Hühnerleiter«, Hennastäpfala, genannt wurde, schmiegte sich zwischen alter und neuer Stadtmauer an den Hang. Hannah wusste, dass er in eine Gegend führte, in der viele der Kleriker des Domkapitels wohnten. Mühsam erklommen sie die brüchigen Stufen. Die Gassen waren hier wie schmale, von hohen Mauern gesäumte Schläuche, damit man nicht ins Innere der Gärten blicken konnte. Die Schwarze Liss humpelte den Hang in einer Geschwindigkeit hinauf, die Hannah der Frau gar nicht zugetraut hätte. Langsam begriff Hannah, dass die Bettlerin das Domareal umgangen hatte und sich jetzt entlang der inneren Mauer bewegte. Die Frau kannte sich besser aus als sie selbst. Noch zwei Querstraßen, und sie würden an der niedergebrannten Apotheke vorbeikommen.
    Doch die Schwarze Liss bog zuvor links ab, humpelte an der Klostermauer von Sankt Stephan entlang und klopfte endlich an die Pforte des Klosters.
    Es war ein dunkles schweres Tor, das den Frauenkonvent von der Welt abschloss. Liss hämmerte mit der Faust dagegen, sodass ein dumpfes Dröhnen ertönte.
    »Was willst du hier?«, fragte Hannah.
    Die Schwarze Liss kniff die Augen zusammen und betrachtete Hannah so lange, dass diese schon fast glaubte, sie würde nie mehr antworten.
    »Essen«, sagte sie nur. »Mein Gott, hat man dir denn gar nichts beigebracht?«
    »Was sollte man mir denn beibringen?«, fragte Hannah verärgert zurück.
    »Was? Na, nicht zu verhungern beispielsweise.«
    In diesem Augenblick öffnete sich eine Klappe in der dunklen Tür des Konvents. Der Ausschnitt eines Gesichts erschien, weiß und fein geschnitten, mit blauen Augen. Die Augen sprachen lebhaft, doch die Lippen, die hinter dem schweren Holz verborgen lagen, sagten nichts.
    »Um der Liebe unserer Jungfrau willen bitten wir um ein Stück Brot«, säuselte die Bettlerin und senkte demütig den Blick. Hannah bemerkte, dass der Stock der Schwarzen Liss verschwunden war und sie stattdessen die Hände gefaltet hielt.
    Hannah beeilte sich, es ihr gleichzutun.
    Die Klappe schlug zu, und man hörte, wie sich die Schritte dahinter entfernten. »Und was jetzt?«, flüsterte Hannah. »Hat wohl nicht geklappt. Oder sollte ich lernen, wie es nicht ...«
    Ein Seitenblick des Schwarzen Liss ließ sie verstummen. Die beiden standen regungslos da. Die Schwarze Liss begann laut zu beten und hängte ein Ave-Maria ans andere. Nach einer endlos langen Zeit des Wartens, die von den Zweifeln gefüllt war, ob sie die blauen Augen je wieder sehen würde, hörte sie Schritte, und die Klappe öffnete sich erneut. Zwei Brote wurden herausgeworfen, und die Bettlerin fing diese auf, bevor sie in den Seim der Gosse fielen. Dann schlug die Klappe abermals zu.
    »Vergelt’s Gott!«, rief die Bettlerin, und zischte Hannah zu: »Hab ich zu viel versprochen?« Dabei reichte sie ihr eines der Brote.
    »Warum tust du das?«, fragte Hannah.
    »Was?«, fragte die Schwarze Liss und biss herzhaft in ihr Brot.
    »Mir helfen!«, antwortete Hannah.
    Die Schwarze Liss schloss die Augen, während sie kaute, schob dabei das abgebissene Stück Brot langsam im Mund hin und her, bis Hannah das Wasser im Mund zusammenlief und sie selber etwas von ihrem Brot zu essen begann.
    »Weil ich glaube, dass uns etwas verbindet, Schwester!«
    Hannah verschluckte sich beinahe und musste husten, so überrascht war sie von der Antwort.
    »Was«, fragte sie mit vollem Mund, »was sollte uns verbinden?«
    Die Schwarze Liss betrachtete Hannah, als würde sie ein besonderes Stück Ware mustern, als würde sie an deren Wert zweifeln und es sich noch einmal genau überlegen müssen, bevor sie zugriff.
    »In dir steckt noch zu viel von der Apothekerin, Röttel, als dass ich dir darauf schon eine Antwort geben könnte«,

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