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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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der dieser Abstieg diesmal so viel schwerer fiel als ihr. Mit beiden Händen mussten sie sich an Wurzeln und Gestrüpp festhalten – und als sie unten ankamen und sich ansahen, mussten sie lachen.
    »Warum haben wir uns eigentlich gewaschen und geschrubbt. Wir sehen aus wie zuvor!«, sagte Hannah.
    »Komm weiter.« Die Schwarze Liss grinste schelmisch. »Wir müssen uns schließlich für die Stadt parfümieren. Wären wir sauber, würden wir nur auffallen.«
    Sie kämpften sich durch das Gesträuch. Die Liss war sichtlich darum bemüht, nicht an der Stelle vorüberzukommen, wo das Mädchen sicherlich immer noch lag. Soweit es die zwei Frauen mitbekommen hatten, war das Mädchen nie gefunden worden. Es war nie bestattet worden; im Grunde hatten man es vergessen, wie es zuvor von der Welt vergessen worden war. Hannaherinnerte sich an die traurigen Augen des Mädchens in der Kapelle, die gewirkt hatten, als wäre ihre Seele in einen Brunnen ohne Boden gefallen.
    »Wir sollten vielleicht nicht gerade dort auftauchen, wo wir hinuntergestiegen sind«, flüsterte die Bettlerin. Hannah bemerkte, wie unsicher auch sie wirkte. Liss’ Augen wanderten unstet über die mehr als mannshohen Büsche und versuchten, das Dickicht zu durchdringen.
    Vorsichtig sog Hannah die Luft ein, ob sie den süßlichen Gestank der Verwesung riechen konnte. Doch es roch nur modrig dumpf, wie es in feuchten Gräben und in der Nähe von Tümpeln eben roch. Sie waren noch nicht allzu weit gegangen, als die Schwarze Liss hastig mit der Hand winkte und sich duckte.
    Hannah schloss zu ihr auf und suchte mit dem Blick das Gestrüpp ab, um zu sehen, was die Bettlerin so beunruhigt hatte.
    »Was ist?«, flüsterte Hannah ihr ins Ohr.
    Doch die Liss sagte nichts, tippte nur an ihr anderes Ohr und legte dann den Finger auf den Mund.
    »Du hast was gehört?«, hauchte Hannah.
    Die Schwarze Liss nickte heftig und deutete nach vorn. Hannah starrte auf die Stelle, auf die Liss deutete, aber außer dem Knöterich, der über den Weg wucherte und alles unter sich begrub, was nicht schnell genug in die Höhe schoss, war nichts zu sehen.
    So hockten sie eine ganze Weile da, doch nichts regte sich.
    Schließlich sagte Hannah: »Wir gehen weiter!«, und wollte sich erheben, als sich unweit vor ihnen das Blattwerk teilte und drei Männer mit einem Sack auf dem Rücken aus einem Seitenpfad des Wegs traten, der wohl nur für Kundige erkennbar war.
    Als der letzte Mann hindurchgeschlüpft war, stellte der seinen Sack ab, drehte sich um und ordnete den Bewuchs so, dass niemand den Zugang zufällig entdecken konnte. Er hatte ein eigenartig starres Gesicht, das keinerlei Regung zeigte und aussah wie eine Maske.
    Die Männer redeten nicht miteinander. Die beiden anderen warteten, bis ihr Kumpan seinen Sack wieder geschultert hatte, dann gingen sie weiter, immer die Umgebung beobachtend und sichernd. Aus dem Sack des Dritten drang ein Geräusch wie ein Stöhnen. Schließlich verschwanden die drei Männer aus ihrem Blick.
    »Schmuggler!«, sagte die Liss.
    Sie warteten lange hinter den Büschen, bis sie sich trauten, weiterzugehen. Auch als sie endlich weitergingen, bewegten sie sich so leise wie möglich und blieben immer wieder stehen, um sich zu vergewissern, dass niemand sie entdeckt hatte. Hannah spähte zwischen dem Gezweig immer wieder zu den Aufstiegen hinauf, ob die drei auftauchten, doch sie waren nicht mehr zu sehen. Das wiederum bedeutete, dass sie noch irgendwo vor ihnen im Graben sein mussten.
    »Wie weit willst du gehen?«, fragte Hannah die Schwarze Liss und sprach damit aus, was sie beide wohl dachten, dass sie nämlich, je weiter sie im Graben vorwärtskamen, desto sicherer auf die Männer stoßen mussten. Außerdem begann sich der Bewuchs zu lichten. Man konnte immer weiter sehen.
    »Wir steigen am Lueginsland bis zur Mauer hoch und gehen dort entlang. Am Stephinger Tor kommen wir sicherlich in die Stadt.«
    »Wir gehen nicht durchs Fischertor?«
    Die Schwarze Liss schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe Angst, dass sie dort auf uns warten.«
    »Wer sind sie ?«, hakte Hannah nach, doch die Liss zuckte nur mit den Schultern. »Willst du Brückengeld bezahlen?«
    Die Schwarze Liss blickte über die Schulter zu Hannah zurück und grinste. »Das lass nur meine Sorge sein.«
    Die einzige Möglichkeit, an den städtischen Wachen vorbeizukommen, war, den Brückenzins zu zahlen. Nur dann wurde man in die Stadt gelassen. Bettler, Sieche, Kranke oder Menschen mit

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