Fuerstin der Bettler
hatte sie die getrockneten Blüten abgerieben und dazugegeben. All das brauchte nur noch kalt gestellt und zwei Wochen in Ruhe gelassen zu werden. Mit der Seife und mit dem Sand, den sie vom Lechufer geholt, gesäubert und abgekocht hatten, rieben sie sich gegenseitig die Haut ab. Es schäumte und duftete himmlisch.
»Mein Vater war Botanikus«, begann die Liss zögernd. »Wir wohnten am Stadtrand. Ganz hier in der Nähe. Vater hatte vom Bischof die Kate vor der Mauer bekommen, weil er ihm ... ach, ich weiß nicht, was er ihm genau zusammengebraut hat. Aber es hat geholfen. Meist haben sie Liebestränke von ihm gewollt. Mittel zur Stärkung der Manneskraft.«
Hannah musste unwillkürlich lächeln. »Für den Bischof?«
»Für alle alten Männer«, bestätigte die Bettlerin. »Dafür hat Vater das alte Lusthäuschen bekommen und das Stück Garten oberhalb des Grabens.«
Hannah deutete in Richtung Lueginsland und machte eine weit ausholende Geste. »Das liegt doch dort drüben?«
»Ja. Am Stephinger Tor. Vor fünf Jahren hat es noch meinem Vater gehört«, antwortete sie und hielt kurz mit dem Waschen inne. »Ich glaube, ich sollte es mit dem Schrubben nicht übertreiben. Nicht dass ich mir die Haut wegschabe.«
»Lenk nicht ab. Mein Mann hat immer behauptet, wer sich regelmäßig wäscht, bleibt länger gesund. Und alle fünf Jahre ein gründliches Bad kann nicht schaden. Allzu oft gewaschen scheint mir das auch nicht zu sein.« Hannah goss der SchwarzenLiss erneut einen Krug aufgewärmten Wassers über den Rücken und durch die Haare.
»Ist schon gut«, maulte die Bettlerin. Sie genoss das Bad sichtlich. Dann wurde sie plötzlich ernst. »Es war vor beinahe fünf Jahren. Ich bin von einem Botengang zurückgekommen, habe nach meinem Vater gerufen – und ihn schließlich am Hang zum Graben an einer alten Hainbuche hängen sehen. Die Zunge quoll ihm aus dem Mund, dick und blau. Er hat nach Luft gerungen, und er hat nach Fäkalien gerochen. Ich habe ihm helfen wollen, habe ihn an den Beinen gepackt und ihn gestützt ...«
Sie unterbrach ihre Erzählung und drehte sich zu Hannah um.
Die sah, wie die Augen der Frau im Zuber sich mit Tränen füllten. Hannah hob nur fragend eine Braue.
Die Bettlerin schluckte, bevor sie fortfuhr. »Dann ging alles ganz schnell. Jemand hat mich gestoßen. Von hinten. Ich konnte niemanden sehen oder hören. Dann bin ich den Graben hinuntergestürzt. Du hast gesehen, wie steil es da sein kann. Wir haben den Garten nicht gepflegt, also ist dort alles ganz überwuchert mit Büschen und Sträuchern. Das hat mich vermutlich gerettet. Ich bin unten gelegen, bevor ich auch nur einen ordentlichen Gedanken habe denken können. Dabei hab ich mir den Oberschenkel gebrochen. Ein Busch hat mich davor bewahrt, dass ich in den Wassergraben geplumpst bin. Ich kann nicht schwimmen.«
Hannah sah sie verwundert an. »Da gibt es schon Wasser?«
»Ja, am Stephinger Tor ist der Graben nicht trocken wie hier. Ich wusste, derjenige, der mich gestoßen hatte, würde nach mir suchen. Ich bin ins Gebüsch gekrochen. Immer tiefer hinein – und dann war da so ein Kerl, ein Mann, den ich nicht kannte, der sah aus, als wenn er jemanden suchen würde. Dann ist er wieder verschwunden.«
Hannah sah sie bestürzt an. »Dann hat sich dein Vater gar nicht selbst erhängt?«
Die Schwarze Liss hatte sich wieder gefangen. Sie sah hinauf zum Lueginsland.
»Drei Gedanken beschäftigen mich seit fünf verdammten Jahren, Röttel. Hat sich Vater selbst an den Baum gehängt? Wer hat mich gestoßen? Und warum?«
»Hast du eine Antwort auf deine Fragen bekommen, Liss?«
Die Bettlerin stieg aus dem Zuber. Jetzt konnte Hannah nicht nur die knollenartige Verdickung an ihrem Oberschenkel sehen; sie sah auch, wie jung die Schwarze Liss wirklich war. Tatsächlich war sie wohl kaum älter als sie, Hannah, selbst.
»Wahrscheinlich wäre ich dort unten im Graben krepiert«, sagte die Schwarze Liss, während sie sich abtrocknete und sich die Haare mit einem Tuch trocken rieb. »Wenn nicht die Witwe Hutter mich entdeckt hätte. Beim Kräutersammeln hat sie mich rein zufällig gefunden. Daraufhin hat sie mich mit in ihre Hufe geschleppt und sich um mich gekümmert. Aber mit dem Oberschenkel war es da schon zu spät.«
Hannah gab der Liss das Kleid, das sich die Bettlerin überstreifte. Sie sah, wie die Liss die Marke der Stadtarmen prüfend betrachtete. Kein Wort fiel mehr zwischen ihnen. Hannah wollte diese Stille nicht durch
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