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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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waren die Wächterbienen, die vor dem Bau hockten und auf die einfliegenden Sammlerinnen warteten.
    Die vier Wochen bei der Hutter Babett hatten Hannah gelehrt, dass sie mit ihrem Wissen, das sie als Frau des Apothekers gesammelt hatte, sich selbst und anderen helfen konnte. Mit der Hutterin hatte sie begonnen. Die Schwellungen an den Gelenken der Alten ließen durch die Bienenstiche tatsächlich nach, und sie konnte wieder einigermaßen gehen.
    Auch sich selbst hatte sie geholfen, nicht nur mit der Seife, sondern mit einer Salbe, die sie aus getrockneten Calendulablüten für sich angerührt hatte. Die Babett hatte das Schweinefett dazugegeben, und Hannah hatte die Blüten gestoßen und gemischt. Das hatte ihre Verbrennungen gelindert und die Wunden abheilen lassen. Sie hatte sich zu erinnern versucht, wie ihr Mann gearbeitet hatte, was er vermengt und ausgezogen, gekocht und geseiht hatte – und hatte einfach nachgemacht, was sie in der Apotheke unter seiner Anleitung auch schon immer getan hatte.
    Daraus waren die Behandlung mit dem Bienengift, die Calendulasalbe und die Seife entstanden. Hannah fühlte, wie sie sich selbst dadurch aufrichtete. Sie konnte helfen und ihre Schuld bei der Babett ein wenig abtragen.
    Sie wusste nicht recht, woher sie die Kraft nahm und den Lebensmut nach den Ereignissen, die sie in die Gosse gefegt hatten. Manchmal wurde sie sogar von dem schier unaussprechlichen, sündigen Gedanken erfasst, ihrem Leben ein Ende zu setzen, selbst wenn sie dafür auf ewig im Höllenfeuer büßen müsste. Doch dann dachte sie an Jakob, wie er verbissen an seinen Experimenten gearbeitet hatte, dann dachte sie an Gera, die tot war,und sie dachte daran, dass sich gerade eine Frau nicht unterkriegen lassen durfte, so wie die Hutter Babett ihr Leben meisterte. Sie würde sich durchbeißen, weil all diese Menschen ihr ein Vorbild waren.
    Hannah atmete tief durch und führte die Bienenbehandlung zu Ende. Als sie die Röcke wieder über Babetts Knie herunterzog, stand die Schwarze Liss schon bereit.
    Es dauerte eine kleine Weile, bis sie sich von der Witwe Hutter verabschiedet hatten. Die alte Frau behandelte die Liss und Hannah wie ihre eigenen Kinder. Sie umarmten, küssten und herzten sich, als gelte es, sich für immer voneinander zu trennen.
    Die Alte strich Hannah übers Haar, das allmählich wieder nachzuwachsen begann. »Du hast goldene Hände, Töchterchen, das musst du dir merken, und du bist nicht auf den Kopf gefallen. Das mögen die Männer zwar nicht so gern, aber lass dich davon nicht beeindrucken. Mit deinem Wissen kannst du vielen helfen, so wie du mir geholfen hast.«
    In einem kleinen Leinensäckchen gab die Witwe den beiden Frauen etwas zu essen mit, dann brachen diese auf.
    Hannah dachte lange darüber nach, was die Hutter Babett gesagt hatte. Ihr Apothekerwissen war unvollständig, aber es war vorhanden. Bei vielen der Rezepturen war sie ihrem Mann zur Hand gegangen oder hatte sie sogar selbst hergestellt. Sie hatte ein gutes Gedächtnis – und das würde sie jetzt brauchen können. Doch vorerst galt es, sich anderen Herausforderungen zu stellen. Eine davon hieß: der Rote.
    »Was, glaubst du, ist aus der Sache mit dem Roten geworden, Liss?«
    Sie hatte an den ersten Tagen oft und lange über den Tod ihres Schänders gesprochen, hatte ihre Tat in Gedanken hin und her gewälzt, hatte sich, wenn sie nachts schweißnass aufgewacht war und von dem Kerl geträumt hatte, wie er schwer auf ihr hockte,stumm an die Schwarze Liss gedrückt – und schließlich kein Wort mehr darüber gesprochen.
    Doch jetzt näherten sie sich wieder der Stadt – und sie mussten sich den Dingen stellen. Wenn sich das Gerücht verbreitet hatte, dass eine von ihnen den Mann getötet hatte, konnte das immer noch die Hexenlöcher und das Rad bedeuten.
    Hannah horchte in sich hinein, doch sie empfand keinerlei Reue wegen ihrer Tat. Der Kerl hatte den Tod verdient. In ihren Augen war dieser Tod sogar viel zu schnell eingetreten. Der Tod hätte ihn nicht ereilen dürfen, er hätte ihn erleiden müssen. Langsam. Mit derselben quälenden Langsamkeit, mit denen er seine Opfer gequält hatte. Das änderte zwar nichts an ihrer rechtlichen Schuld, nach dem Gesetz würde sie bestraft werden, es änderte allenfalls etwas in ihrer Seele. Das Wissen darüber, dass ihr Peiniger nicht mehr lebte, ließ sie beruhigter einschlafen.
    Sie kletterten in den trockenen Graben hinunter.
    »Wir werden sehen«, sagte die Schwarze Liss,

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